Filmkritik zu Her Smell

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Alex Ross Perrys Backstage-Pass

    Exklusiv für Uncut vom Toronto Film Festival
    Der New Yorker Filmschaffende Alex Ross Perry hat in seinen letzten Filmen „Golden Exits“ und „Queen of Earth“ (seine erste Zusammenarbeit mit Elisabeth Moss) bereits ein Herz für Frauen bewiesen. Weibliche Charaktere überwiegen in seinen Filmen meist. In seinem neuesten Werk „Her Smell“ über eine selbstzerstörerische Punk-Musikerin schart er so viele Frauen um sich, wie man es selten in einem Film zu sehen bekommt: Elisabeth Moss, Agyness Deyn, Gayle Rankin, Amber Heard, Ashley Benson, Cara Delevingne und Dylan Gelula bringen viel Frauenpower auf die Leinwand (wenn auch null Diversität).

    Mehr als die Hälfte der Frauen ist jedoch eher zu dekorativen Zwecken im Film. Sie sehen cool aus als Punk-Girls und füllen die Bühnen und Backstage-Räume. Lediglich die drei Band-Mitglieder von Beckys Band tragen etwas zur Story bei. Im Zentrum steht allerdings einzig und allein Elisabeth Moss als Becky Something, die mit ihrem manischen, destruktiven Verhalten den Zuschauer sofort in den Bann zieht.

    Becky ist, wie schon so viele von Alex Ross Perrys weiblichen Charakteren aus anderen Filmen, eine wahrhaftig unausstehliche Frau. Die langen Sequenzen, in denen sie in Backstage-Bereichen tanzt und tobt, weint und wütet sind nervenaufreibend. Aber sie sind auch eine Glanzleistung von Elisabeth Moss, die selten so sehr in Topform war, obwohl sie immer in Topform ist.

    Einige Jahre und einen Drogenentzug später hat sich Becky wieder im Griff und geht in ihrer Rolle als Mutter auf, anstatt als Musikerin. Bis ein Comeback-Auftritt ihrer Band ihr neugewonnenes Gleichgewicht aufs Spiel zu setzten scheint. Das Finale des Films ist ein langer, gelungener Shot, der die meiste Zeit ohne Elisabeth Moss auskommt, weil niemand weiß, wo sie ist und ob sie ihren Weg zurück auf die Bühne findet. Nervöse, nägelbeißende, aber wunderschön beglitzerte Gesichter warten auf sie. Und auch im Zuschauer setzt die letzte Sequenz viel Adrenalin und Endorphine frei.

    Alex Ross Perry hat einen durchaus ästhetischen Indie-Film geschaffen, der frech und lebhaft ist. Vor allem punktet „Her Smell“ aber mit Elisabeth Moss, die eine der tollsten Performances des Jahres abliefert.
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    (Marina Ortner)
    15.09.2018
    09:36 Uhr
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