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  • Bewertung

    Unterhaltsamer Wilder Westen

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    Von Musicalnummern über schwarze Komödie bis hin zu Drama und Lovestory: In der Anthologie-Serie „The Ballad of Buster Scruggs“, dem neuen Film der Brüder Joel und Ethan Coen, kommt alles irgendwie zusammen. Zugrunde liegt den sechs Episoden aber immer dasselbe Thema. Es geht um Leben und Sterben im Wilden Westen, den Chancen aber auch das Ausgeliefertsein gegenüber dem Schicksal. In ihrer Gesamteinheit ergeben die Geschichten ein unterhaltsames und auch bewegendes filmisches Werk, das Beste seit langem für die Brüder.

    Verbunden werden die Episoden durch ein Geschichtenbuch, in dem eine unbekannte Hand sorgfältig von Seite zu Seite blättert um einen Storyauftakt nach dem anderen einzuleiten. Die Reihung der Episoden ist eine ausgeklügelte Raffinesse seitens der Coens. Nachdem die ersten beiden Geschichten eher auf der humorvoll-morbiden Seite verankert sind und sich bereits das Gefühl einstellt, hier wird einem ein bissiger Blick auf den Wilden Westen geboten, wechselt der Film den Ton und wird düster und kurz darauf rührselig.

    So ist zu Anfang ein singender, die vierte Wand brechender Bandit namens Buster (Tim Blake Nelson) zu sehen, der sich gern duelliert, kurz darauf ein die namenloser Bandit und Möchtegern-Bankräuber (James Franco), dem auch die beste Punchline des Films gebührt. Der Film traut sich aber auch danach in Territorien wie die verwerfliche menschliche Moral, als ein Schausteller (Liam Neeson) vor der Entscheidung steht sich seines arm- und beinlosen Stars zu entledigen als er bemerkt, dass ein rechnendes Huhn mehr Geld einbringt. Gegen Ende wird es dann nochmals süffisant komödiantisch, als sich eine Kutsche an streitenden Gästen auf einer übernatürlichen Reise zu ihrer letzten Destination befindet.

    Den Coens gelingt es trotz der Vielfalt an Erzählweisen dem Genre in seinen Grundwerten treu zu bleiben. Die weiten trockenen Prärien, die Salons mit ihren Kartenspielenden saufenden Gästen, die Duelle im Wüstensand und die Goldgräber auf der Suche nach Schätzen - die Wiedererkennungswerte sind da, bereichert um eigene Kommentare und Observationen, die personifizierte Linse die die Brüder gerne auf die Welt halten. Die Charaktere sind weder Held noch Feind, schweben zwischen kritischem Kommentar und Persiflage.

    Das freie Lotterleben und die aufregende Zukunft, alte Versprechungen des Westens, erfüllen sich hier im Endeffekt für fast niemanden, aber der Weg dorthin kann durchaus tragisch-komisch sein, wie hier eindeutig bewiesen wird.
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    (Susanne Gottlieb)
    01.09.2018
    21:01 Uhr
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