Filmkritik zu Joy

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  • Bewertung

    Der Traum von einem besseren Leben

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    2014 beschrieb die österreichische Regisseurin Sudabeh Mortezai in ihrem Debütfilm „Macondo“ die Szene einer Flüchtlingssiedlung am Rande von Wien – und beeindruckte aufgrund ihres empathischen Zuganges an die Thematik. Mit „Joy“ wagte sie sich nun, vier Jahre später, an ein anderes Thema heran: dem Menschenhandel. Im Zentrum der Handlung stehen junge, nigerianische Mädchen, die sich in Europa prostituieren müssen. Und das um jeden Preis.

    Die junge Precious (Precious Mariam Sanusi) reist von Nigeria nach Wien, um Geld zu verdienen, welches sie ihrer Familie in die Heimat überweist. Dort angekommen wird sie von „Madame“ (Angela Ekeleme), der Chefin eines Prostituiertenrings, sofort auf den Straßenstrich geschickt. Joy (Joy Alphonsus) gehört ebenfalls zu „Madames“ Mädchen und wird bald zur Vertrauten von Precious. Doch in der Welt des Menschenhandels kann man niemand trauen und für Precious beginnt eine Odyssee aus Abhängigkeit und Ausbeutung.

    Bereits die Eröffnungsszene von „Joy“ konfrontiert uns mit der Arbeitsweise von Menschenhändlern: Precious nimmt an einem Ritual des örtlichen Juju-Priesters teil, bei dem ihre Finger- und Zehennägel als eine Art Pfand eingesetzt werden. Später erzählt eine Sozialarbeiterin von den „Flüchen“, mit denen junge Mädchen dabei belegt werden, um ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen und den Menschenhändlern herzustellen, damit diese zur Prostitution gezwungen werden können.

    In Wien angekommen, trifft Precious dann jedenfalls auf Joy, die titelgebende Figur, um die sich die folgende Handlung drehen wird. Der Darstellerin Joy Alphonsus gelingt es, einen mehrdimensionalen Charakter zu schaffen, der uns nicht nur aufgrund der erschütternden Lebensumstände in den Bann zieht, sondern auch aufgrund ihrer geradezu asketischen Performance. Sie nimmt dabei eine ambivalente Rolle ein, immer zwischen Leidensgenossin, Freundin und doch auch primär dem Eigennutz unterworfen.

    Realitätsnah ergibt sich eine filmische Auseinandersetzung mit dem kollektiven Schicksal, das den Frauen gemeinsam ist, bei dem der Traum nach einer besseren Zukunft eine zentrale Rolle spielt. Der Kameramann Klemens Hufnagl verfolgt die Protagonistinnen geradezu unbemerkt, der Stil des Films erinnert im Allgemeinen eher an die dokumentarische Form.

    Gerade das führt dazu, dass einem die brutale Realität, die in „Joy“ dargestellt wird, noch näher geht. Mit dem Schauplatz Wien stellt Sudabeh Mortezai nicht nur einen geographischen Bezugspunkt her, sondern auch einen kulturellen. Die Bräuche Österreichs werden den Bräuchen Nigerias entgegengestellt, wobei man sich am Schluss fragt, welche wohl merkwürdiger erscheinen: der Ausdruck von Wertschätzung durch das Werfen von Geldscheinen oder die Huldigung von Perchten in der Vorweihnachtszeit.