Filmkritik zu Kriminal

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    Selbst als zahme Variante ist Kriminal immer noch unterhaltsam

    Eldritch Advice
    „Kriminal“ ist ein Charakter aus den gleichnamigen italienischen Comicheften und wurde vom Kreativduo mit den klingenden Pseudonymen „Magnus“ und „Max Bunker“ im Jahr 1964 erschaffen. Dabei setzten sie die, vom Charakter „Diabolik“ etablierte, „Fumetti neri“-Tradition fort und machten aus dem eigentlichen Verbrecher den Protagonisten. Der fiktive englische Meisterdieb Antony Logan kleidet sich für seine Raubzüge in ein schwarz-gelbes Skelettkostüm und sorgt als sein Alter Ego „Kriminal“ für Angst und Schrecken in ganz Europa. Schließlich raubt er seinen Opfern nicht bloß ihre Wertgegenstände, sondern zuweilen auch ihr Leben. Die explizite Zurschaustellung von Gewalt und Erotik rief mitunter die italienischen Zensoren auf den Plan, sorgte allerdings auch dafür, dass der Charakter eine solide Fanbasis gewinnen konnte. Zumindest war „Kriminal“ bereits interessant genug, sodass der Filmemacher Umberto Lenzi, der später eine Legende des Exploitationfilms werden sollte und leider 2017 verstarb, sich seine Rechte sicherte und für die 1966 erschienene Adaption selbst am Regiestuhl Platz nahm.

    Der berüchtigte Mörder und Verbrecher Kriminal sitzt im Todestrakt eines Londoner Haftanstalt und erwartet dort mit stoischer Gelassenheit die Vollstreckung seines Urteils. Dies aus gutem Grunde, denn am Galgen zu baumeln gehört nicht zu seinem Plan. Tatsächlich gelingt es ihm am Tag X, seine Hinrichtung in seine Befreiung zu verwandeln. Fast so als ob er bereits wusste, dass sein Nemesis Inspektor Milton dies alles nur in der Hoffnung inszenierte, dass der geflohene Kriminal ihn zu den britischen Kronjuwelen führt, die er kurz vor seiner Verhaftung gestohlen und versteckt hat. Doch Kriminal ist seinen Häschern stets einen Schritt voraus und plant bereits seinen nächsten großen Coup, der ein Spiel auf Leben und Tod durch ganz Europa startet.

    Ich muss sagen … trotz seines Charmes, fehlt es ihm an der Härte seiner Vorlage.

    Der „Kriminal“ Lenzis unterscheidet sich in vielen Dingen vom „Kriminal“ aus den Comicheften. Obwohl er auch im Film einige durchaus kreative und grausame Morde begeht, ähnelt er mit seiner Darstellung als „Gentleman Dieb“ eher seinem Vorbild „Diabolik“. Auch sein Kostüm wurde für diese Verfilmung etwas abgeändert, was aber wohl einen praktischen Hintergrund hatte und nicht weiter stört, weil es gut aussieht; man hätte es aber ruhig mehr zur Schau tragen sollen. Lenzi gelang es einen Film zu schaffen, der sich ob seines kleinen Budgets nicht davon abschrecken lässt eine monumentale Geschichte zu erzählen und dabei die Schönheit der zahlreichen Handlungsorte geschickt einfängt. Trotz der vielen positiven Aspekte, werden prägende Elemente der Comichefte wie Erotik und Brutalität nur angedeutet. Dadurch wirkt das ganze für Kenner des Ursprungsmaterial sehr zahm. Lediglich Momente, wie die grandiose Saunaszene, zeigen was dieser Film hätte sein können. Für den Soundtrack zeigt sich der italienische Jazzpianist mit dem markanten Namen Romano Mussolini verantwortlich. In der Tat handelt es sich hierbei um den jüngsten Sohn des früheren Diktators, der sich erfolgreich dazu entschied ein Leben fernab der Politik als Künstler zu führen. Sein jazziger Score schafft es eine seiner Zeit entsprechenden Atmosphäre zu schaffen, ist aber zu keinem Zeitpunkt sonderlich einprägsam.

    In Sachen Casting fällt mein Fazit durchaus positiv aus. Der niederländische Schauspieler Glenn Saxson sieht Antony Logan aka Kriminal nicht nur täuschend ähnlich, sondern schafft es auch, ihn, im von Lenzi vorgefertigten Rahmen, überzeugend darzustellen. Dabei besticht er nicht nur als Gentleman-Dieb, sondern schafft es darüber hinaus die, oftmals leider nur angedeutete, Kaltblütigkeit von Kriminal in sein Schauspiel zu integrieren. Die Schuld an dieser jugendfreien Interpretation ist jedenfalls nicht bei Saxson zu suchen. Weiters schafft es diese Produktion mit der Besetzung von Helga Liné in einer interessanten Doppelrolle zu punkten. Sie ist für jeden Film ein Gewinn und verdient sich, als eine der klassischen europäischen „Scream Queens“, heutzutage wesentlich mehr Aufmerksamkeit!

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Meiner Meinung nach fehlt es „Kriminal“ an zwei entscheidenden Punkten um ein richtig guter Film zu sein. Einen davon habe ich bereits angemerkt; der Film wird seiner Vorlage nicht gerecht und fühlt sich dadurch etwas halbgar an. Es ist klar ersichtlich, dass Lenzi ursprünglich einen Film über „Diabolik“ machen wollte, aber nicht konnte, weil Dino De Laurentiis bereits dessen Filmrechte kaufte und Lenzi deswegen „Kriminal“ so nah wie nur möglich an „Diabolik“ anglich. Der zweite Punkt ist, dass es Lenzi nicht gelang den Stil der Comics auf die große Leinwand zu adaptieren; einen Code den erst Mario Bava zwei Jahre später mit dem von De Laurentiis produzierten „Gefahr: Diabolik!“ (Siehe Eldritch Advice zu „Gefahr: Diabolik!“) knackte. Trotz dieser Schwächen, handelt es sich hierbei immer noch um einen unterhaltsamen und interessanten Film, der aber mehr sein eigenes Ding denn eine wahrhaftige „Kriminal“ Verfilmung ist.

    Ob seiner unterhaltsamen Natur, ist es umso trauriger, dass diese Produktion abseits Italiens nur schwer erhältlich ist. Zwar kann man sich eine der italienischen DVD-Veröffentlichungen durchaus günstig aus dem Internet bestellen, nach einem deutschen oder englischen Audiotrack bzw. entsprechende Untertitel sucht man jedoch vergeblich. Jedoch lassen sich englische Untertitel relativ einfach online finden. Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich auch die 1967 erschienene Fortsetzung „Il marchio di Kriminal“ besorgen. Ich selbst hoffe, dass das italienische Kino sich wieder seiner „Fumetti neri“-Charaktere besinnt und in dieser Zeit der Comicverfilmungen neue Adaptionen für ein erwachsenes Publikum schafft. Wer Comicadaptionen und Krimis mag, wird auch an diesem Film seinen Spaß haben. Zwar würde ich „Kriminal“ nicht als Pflichtfilm bezeichnen, aber erachte ihn eines freitäglichen Filmabends würdig.

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
    https://goo.gl/oYL4qZ
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    (Thorsten Schimpl)
    10.08.2018
    16:01 Uhr