Filmkritik zu Dumbo

Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    Flieg, Dumbo, flieg!

    Exklusiv für Uncut
    Realverfilmungen altbekannter Zeichentrick-Klassiker scheinen bei Disney zurzeit voll in Mode zu sein. Bislang wurden bereits Animations-Meilensteine wie „Cinderella“, „Das Dschungelbuch“, „Die Schöne und das Biest“ oder zuletzt mit „Christopher Robin“ sogar „Winnie the Pooh“ erfolgreich (zumindest an den Kinokassen) als Realfilme neu adaptiert. Bevor uns dann im Mai und im Juli die langersehnten (?) Realverfilmungen zu „Aladdin“ und „Der König der Löwen“ erwarten, muss vorher nun auch noch ein Disney-Klassiker aus einer längst vergangenen Ära dran glauben: „Dumbo“ aus dem Jahre 1941. Während das Original noch mit einer knappen Lauflänge von gerade einmal 64 Minuten auskam, ist das Live-Action-Remake mit einer Spielzeit von 112 Minute fast eine ganze Stunde länger geraten. Im Gegensatz zu beispielsweise „Die Schöne und das Biest“, bei dem es sich fast schon um eine penible 1:1-Realverfilmung von Disneys Zeichentrick-Klassiker handelte, wurde beim „Dumbo“-Remake einiges abgeändert. Die größte Änderung der Geschichte dürfte wohl der vollständige Verzicht auf sprechende Tier-Charaktere sein. Im Originalfilm aus den 40er-Jahren war noch die sprechende Maus Timothy Q. Mouse der ständige Wegbegleiter des stummen Elefantenbabys während Menschen kaum tragende Rollen im Plot einnahmen. Die Neuverfilmung lässt die tierischen Charaktere nun hingegen gar nicht mehr zu Wort kommen und stellt dafür (größtenteils neue) menschliche Figuren in den  Vordergrund.

    Im Remake staunt der gerade vom Krieg zurückgekehrte Zirkusmitarbeiter Holt Farrier (Colin Farrell) nicht schlecht, als die schwangere Elefantendame Jumbo plötzlich sonderbaren Nachwuchs in die Welt setzt. Ihr Neugeborenes hat nämlich ungewöhnlich große Ohren und zieht dadurch in der Manege ein Maximum an Spott und Hohn auf sich. Wie Holts Kinder Joe (Finley Hobbins) und Milly (Nico Parker) schon bald in Erfahrung bringen können, steckt in dem kleinen Elefantenbaby jedoch offenbar eine besondere Gabe: die Fähigkeit zu fliegen. Nachdem Zirkusdirektor Max Medici (Danny Devito) vom einzigartigen Talent des Kleinen Wind bekommt, dauert es nicht lange bis auch der erfolgreiche Unternehmer V.A Vandavere (Michael Keaton) darauf aufmerksam wird und Dumbo zur neuen Hauptattraktion seines populären Vergnügungsparks „Dreamland“ machen will. Vandavere scheint jedoch weit mehr am Erfolg seiner Attraktionen interessiert zu sein, als am eigentlichen Wohlbefinden des Baby-Elefanten.

    Bei der „Dumbo“-Neuverfilmung handelt es sich um das neue Regie-Werk von Tim Burton, der sich einst für große Filme des Fantastischen wie unter anderem „Beetlejuice“, „Edward Scissorhands“ oder „Ed Wood“ auszeichnete. Leider zeigte sich der ehemalige Regie-Meister in den letzten Jahren bei weitem nicht mehr so treffsicher wie früher und verhunzte mit der 2010er Realverfilmung von „Alice in Wunderland“ sogar bereits einen Klassiker der Marke Disney. Umso größer war natürlich die Befürchtung, dass Burton auch der Aufgabe, einen anderen Disney-Klassiker neu zu verfilmen, in heutiger Form nicht mehr gewachsen wäre. An dieser Stelle darf jedoch auf alle Fälle gesagt werden, dass Burton mit der Realverfilmung von „Dumbo“ einiges richtig gemacht hat und dessen markanter Regie-Stil dem Film wohl als größte Stärke dient.

    Ausgestattet mit pompösen wie auch detailreich gestalteten Sets und Kostümen, die weit entfernt vom seelenlosen Greenscreen-Massaker eines „Alice im Wunderland“ sind, zeigt Burton hier eine visuelle Verspieltheit, die man in seinen letzten paar Filmen kläglich vermisst hat. Burton beweist, dass er auch im digitalen Zeitalter noch einen einzigartige Gespür für Stil besitzt und besticht mit einer farbenfrohen Hochglanz-Ästhetik. Die CGI-Effekte werden sparsam genug eingesetzt, sodass diese das praktische Szenenbild nicht überschatten und vielmehr damit harmonieren, ohne je zu artifiziell zu wirken. Oft kann der Versuch, ein vollständig am Rechner entstandenes Lebewesen zum Hauptcharakter in einem Realfilm zu machen, nach hinten losgehen, jedoch erweist sich der computeranimierte Dumbo tatsächlich als einer der größten Stärken der Neuverfilmung. Das Remake schafft es das Originaldesign des Babyelefanten fotorealistisch wiederherzustellen und erzeugt durch die nahezu erschreckend detailreiche Mimik der Figur einen gewissen Cuteness-Faktor, der das Publikum zu jeder Sekunde mit der Figur mitfiebern lässt. Vor allem die gekonnt inszenierten Flugszenen, von denen es hier weit mehr gibt als noch im Originalfilm, werden dem ein oder anderen Zuschauer sogar Gänsehaut bereiten. Burton hat hier, obwohl der Film weitestgehend andere Wege einschlägt, allgemein einige Anleihen auf den originalen „Dumbo“ verstreut. Besonders gelungen ist eine zwar kurze, aber dennoch geschickt eingefädelte Hommage an die legendäre „pink elephants on parade“-Sequenz des Originalfilms, deren Trip-artiger Animationsstil es wohl heutzutage nicht mehr in einen Familienfilm schaffen würde.

    Auch der Song „Baby Mine“, den Dumbo im Original noch tröstend von seiner Mutter vorgesungen bekommen hatte, wurde für das Remake recycelt, wenn auch etwas plump eingesetzt.

    Die eigentliche Geschichte bietet trotz einer etwas anderen Herangehensweise wie im Original nicht viele Überraschungen und besonders bei der Charakterzeichnung der Figuren wurde sogar tief in den Klischeetopf gegriffen. Obwohl man die einseitige Gut-Böse-Konstellation der Figuren durchaus damit rechtfertigen könnte, dass es sich beim Film ja quasi um ein Märchen handeln würde, fühlt sich die emotionale Ebene des Films oft zu aufgesetzt und unehrlich an. In vielen Momenten wird zu kalkuliert versucht auf die Tränendrüse der Zuschauer zu drücken, ohne, dass sich diese Szenen überhaupt verdient anfühlen – vor allem die zwischenmenschlichen Momente mit Colin Farells Figur und dessen Kindern fallen in diese Kategorie. Zudem wirkt die anti-kapitalistische Botschaft, die sich gleichzeitig auch gegen ungerechte Haltung von Tieren aussprechen möchte, etwas plakativ und in Anbetracht dessen, dass es sich beim Film um das Remake einer milliardenschweren Firma mit Monopolstellung handelt, umso heuchlerischer.

    Immerhin können die narrativen Unzulänglichkeiten an einigen Stellen von der überzeugenden Darstellerriege kaschiert werden. Colin Farrell schafft es trotz der unerforschten Tiefe seiner Figur mit rauer Emotion zu punkten während Danny Devito als Zirkusdirektor Medici eine Spielfreude an den Tag legt, wie man sie bei ihm schon lange nicht mehr gesehen hat, und auch Eva Green weiß als die französische Trapezkünstlerin Colette Marchant durchaus zu überzeugen. Michael Keaton jedoch wirkt hier in der Bösewicht-Rolle etwas fehl besetzt und das Overacting, mit dem er sich seinem überzeichneten Charakter annähert, weiß die meiste Zeit über nicht wirklich aufzugehen.

    Zusammengefasst lässt sich sagen, dass mit dem neuen Live-Action-Remake Disneys zwar immer noch nicht der große Wurf gelungen ist, wenn Tim Burton's „Dumbo“ jedoch abhebt, kann der Film durchaus unterhalten, packen oder auf visueller Ebene gar verzaubern. Ein erhoffter Höhenflug bleibt jedoch aus.
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    (Christian Pogatetz)
    01.04.2019
    16:48 Uhr