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  • Bewertung

    Naiv trifft auf lasziv

    Exklusiv für Uncut
    Die immer stärker werdende Frauenbewegung zieht sich durch alle Aspekte unserer Gesellschaft und spiegelt sich mittlerweile auch in der modernen Unterhaltungsindustrie wider. Dass in Hollywood ein Umschwung stattfindet, ist nicht erst seit #MeToo und dem Weinstein-Skandal ein Thema, sondern schon seit Jahren ein schleichender Prozess. Stoffe weiblicher Autorinnen, weibliche Hauptdarstellerinnen, Spin-offs mit All-female Cast – das sind die aktuellen Trends in Hollywood. Paul Feig, der schon für den eher gemischt aufgenommenen 2016er-Ghostbusters verantwortlich war, saß bei dieser Verfilmung von Darcy Bells gleichnamigem Roman wieder im Regiestuhl.

    Als die quirlige, verwitwete Mutter Stephanie (Anna Kendrick) auf die toughe PR-Managerin Emily (Blake Lively) trifft, entwickelt sich eine sehr einseitige Freundschaft. Die vielbeschäftige Emily hetzt von Termin zu Termin zu extra starkem Martini, während die überengagierte Stephanie auch die Mutterrolle für deren Sohn übernimmt. Plötzlich aber verschwindet Emily und weder ihr Ehemann Sean (Henry Golding), noch ihr Vorgesetzter Dennis (Rupert Friend) oder die Polizei wissen wo sie verblieben sein könnte. Stephanie, die nebenbei einen erfolglosen Video-Blog für alleinerziehende Mütter betreibt, macht sich in Eigenregie auf die Suche nach ihrer Freundin.

    Wenn man bei „A Simple Favor“ im Kino sitzt ohne zu wissen was einen erwartet, kommt schnell die Befürchtung, dass es sich um ein weiteres ideologisch motiviertes, pseudofeministisches 08/15-Hollywoodwerk wie „Oceans 8“ oder eben Paul Feigs Vorgängerfilm „Ghostbusters“ handelt. Zu unbedarft spielt die süße Anna Kendrick ihre Rolle, zu klischeehaft ist die rätselhafte Blake Lively mit ihrer blonden Mähne und der Vergangenheit, über die niemand Bescheid weiß. Auch Stephanies Video-Blog, der als erweiterndes Erzählelement so ganz nebenbei die aktuelle Influencer und Internet-Szene perfekt parodiert, trägt dazu bei, dass man ihren Charakter oft nicht ernst nimmt. Anna Kendrick spielt ihre Rolle so wunderbar naiv wie der ganze Film am Anfang erscheint, aber dann erzeugt er gleich wie die Figur der Stephanie eine wunderbar unerwartete Tiefe. Auch Blake Lively spielt die betörende Femme Fatale mit der rätselhaften Familiengeschichte, über die immer mehr ans Licht kommt, makellos. Einzig Henry Golding, als ihr Ehemann und erfolgloser Romanautor, wirkt etwas fehlbesetzt.

    Nachdem der Film seine anfängliche Naivität ablegt und seine dunkle Seite offenbart, fühlt man sich an Werke wie „Gone Girl“ erinnert. Zurecht, denn „A Simple Favor“ steht diesem und Konsorten in nichts nach, hat aber zusätzlich zur Auflockerung immer wieder humoristische Elemente, die sich in Form von klug gesetzten Pointen präsentieren. Diese Mischung aus Thriller und Familiendrama mit geschickt platzierten Lachern ist tatsächlich ziemlich spannend, intelligent und wartet ständig mit unerwarteten Wendungen auf.

    „A Simple Favor“ ist kein großer Film und er wird wohl die Filmlandschaft auch nicht revolutionieren. Aber er macht Spaß. Er ist ein netter kleiner Film, mit einem großteils gut aufgelegten Cast, einigen überraschenden, kreativen Einfällen und unterhaltsam ohne dabei zu seicht dahin zu plätschern.
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    (Jakob Thaller)
    22.10.2018
    19:14 Uhr
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