Filmkritik zu Anomalie

Bilder: Docs Filmverleih Fotos: Docs Filmverleih
  • Bewertung

    Ein Einblick in die komplexe Welt der psychiatrischen Wissenschaft

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Wie lautet der Sachverhalt der vermeintlich existierenden „Normalität“ zur „Abnormalität“? Gibt es eine objektive Realität oder ist diese stets eine subjektive? Ist der Zwang einer psychiatrischen Institution zu einer Behandlung, die eine Diagnostik bezwecken sollte, eine unfreiwillige Unterwerfung eines „gestörten“ Menschen? Diese Fragen werden in der akribischen Dokumentation von Regisseur Richard Wilhelmer („Adams Ende“) aufgeworfen und deren Facetten ausführlich beleuchtet. Im Mittelpunkt steht Fritz Joachim Rudert, ein Psychiatrie-Erfahrener, der uns seine philosophischen Ansätze in schwer entschlüsselbaren, aber dennoch aufschlussreichen Monologen schildert. Zudem werden Themen wie Entwicklungstendenzen der Psychiatrie, sowie Missstände in den USA von ForscherInnen wie Allen Frances, Elizabeth Loftus oder Gerhard Roth erörtert.

    Der Film thematisiert unter anderem die Vielfalt unserer Realitätswahrnehmungen. Im Zuge dessen werden unsere Wahrnehmungen des Films durch stilistische Mittel, wie einem individuellen Einsatz von Slow Motion, radikal beeinflusst. Durch den starken Kontrast, der dramatischen Schwere der Thematik und der Absurdität diverser Sequenzen, kreiert „Anomalie“ einen Facettenreichtum, wie wir es in kaum einer anderen sachbezogenen Dokumentation vorfinden. Trotz der zahlreichen, vielschichtigen Fragen, die den Rezipienten zum Teil auf einer intellektuellen Ebene fordern, bleibt dieses Werk stets neutral und unkommunikativ. Dies ist jedoch von Vorteil, da dadurch auf ideologische Manipulation verzichtet wird. Trotz der bescheidenen Laufzeit von 81 Minuten bleibt „Anomalie“ stets substanziell, sei es auf stilistischer oder thematischer Ebene. Durch die mehrdimensionale Aufbereitung wird jeder Zuschauer, der selbst keinen Zugang zu diesem Themenfeld hat, bestens bedient. Die Produktion des Films ist mit jahrelanger Recherche verknüpft, die sich sichtlich zu erkennen gibt. Der ästhetische Perfektionismus, sowie die diskutablen Ansätze, die in diesem Film verbal geäußert werden und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen, bewirken eine nachhaltige Erfahrung.

    „Anomalie“ ist das Resultat einer passionierten Filmcrew, sowie ein distanzierter Blickwinkel auf miteinander verknüpfte Themen. Erhaschen Sie einen Einblick in die komplexe Welt der psychiatrischen Wissenschaft.
    danielherler_f0da35cb62.jpg
    16.03.2018
    13:41 Uhr
    Meine Top-Filme:

Anomalie

Österreich 2018
Regie: Richard Wilhelmer
AT-Start: 08.03.2019