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  • Bewertung

    Aufwachgeschichten für Wohlstandskinder

    Exklusiv für Uncut
    „Ich möchte nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein“, erzählt die Mittvierzigerin der Kamera diweil sie auf der Almwise sitzt und hinter ihr die Geißen friedlich grasen. Wie die meisten Insassinnen der oberen Mittelschicht in Europa, hat sie bislang nach ihrem Studium - mit entsprechendem Salär - hochqualifizierte Arbeit getan und das gehetzte, aber auch satte Leben einer modernen Europäerin geführt. Bis sie dann das schlechte Gewissen packte und sie beim nächsten Einkauf am Markt den Biobauern fragte, ob sie nicht was beisteuern kann.

    Kennt man, oder?

    Ein ganzes Genre an aufrüttelnden Dokumentationen über die rücksichtslose Konsumverhalten der Wohlstandsgesellschaft und die verbrannte Erde die es in den übrigen, teils weit entfernten, Weltteilen hinterlässt hat sich seit „Darwin's Nightmare“ entwickelt.

    Aber „Zeit für Utopien“ von Kurt Langbein will anders sein und den Fokus nicht nur auf das Problem setzen, sondern Menschen und Projekte zeigen die Hoffnung machen. So etwa die niederländische Firma „fairphone“ die sich darum kümmert, dass die Smartphones hiesiger User mit fair getradeten Rohstoffen produziert werden. Wenn schon seltene Erden für diese Geräte gebraucht werden, dann soll zumindest der lokale Schürfer/in in Afrika nicht dabei draufzahlen. Oder das Züricher Wohnprojekt „kalkbreite“ in dem Kapitalismuskritiker Niko Paech und seine Mitstreiter vorleben wie eine Kommune quasi ohne Kolendioxidausstoß und (fast ohne) Komfortverlust leben kann.
    So weit, so gut.

    Trotzdem ist dieser Film etwas form- und richtungslos: der rote Faden fehlt, ohne jede Überleitung oder Zusammenhang werden die einzelnen Projekte aneinandergereiht. Und was mich persönlich gestört hat: man wir den Verdacht nicht los, dass all diese ambitionierten Projekte nur zur Gewissenberuhigung jener dienen, die sich ein bissl dafür schämen auf die Butterseite des Erdballs gefallen zu sein. Und vor allem: es sich die Teilnahme an den Initiativen leisten können. Eine alleinerziehende Mutter mit Halbtagsjob an der Supermarktkassa kann wohl nur davon träumen ihren ökologischen Fußabdruck auf die vorgezeigten Arten und Weisen zu reduzieren.

    Ich persönlich frag mich ja, ob das Problem nicht die seltenen Erden im Smartphone sind, sondern der vermeintliche Zwang so ein Ding überhaupt haben zu müssen. Nämlich alle paar Monate ein neues. Aber das ist dann wohl nicht mehr Thema dieser Filmbesprechung. Und wenn ich ehrlich bin: jeder aufrüttelnde Film ist ein nützlicher Film. Auch wenn er nur mittelmäßig ist, wie dieser.
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    (Michael Gegenhuber)
    19.04.2018
    17:22 Uhr

Zeit für Utopien

Österreich 2017
Regie: Kurt Langbein
AT-Start: 20.04.2018