Filmkritik zu Mimic

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  • Bewertung

    Del Toro und die Kakerlaken

    Eldritch Advice
    Guillermo del Toro ist heutzutage ein gefragter Mann in Hollywood. Es gab allerdings eine Zeit in der es ihm nicht immer möglich war seine Visionen wie gewünscht umzusetzen. Nachdem er 1993 mit seinem Debütwerk Cronos in seiner Heimat Mexiko für aufsehen sorgte, bekam er durch „Miramax“ 1997 die Möglichkeit sein Talent in den USA unter Beweis zu stellen. „Miramax“ stellte ihm rund 30 Millionen Dollar zur Verfügung um den Horrorfilm „Mimic“ zu kreieren, nahm ihm dafür aber auch jedwede künstlerische Freiheit. Insbesondere mit Produzent Harvey Weinstein kam es mehr und mehr zu Unstimmigkeiten. Weinstein pochte auf einen kurzweiligen Horrorfilm mit wenig Substanz und vielen Schockmomenten, während del Toro gerne einen Film im Stil seiner später berühmten tabubrechenden sowie Charakter-fokussierten modernen Märchen gedreht hätte. Heraus kam ein Kompromiss mit dem der mexikanische Filmemacher nichts mehr zu tun haben wollte und der an den Kinokassen floppte. Erst 14 Jahre später, im Jahr 2011, wandte er sich wieder diesem Film zu und stellte im Rahmen des Möglichen seinen „Director's Cut“ zusammen.

    New York wird von der „Strickler Seuche“ heimgesucht. Diese von Kakerlaken übertragene Krankheit ist besonders für Kleinkinder tödlich und sorgt daher für eine Kindersterberate in einem beängstigendem Ausmaß. Um dieser Seuche Herr zu werden, forscht die Entomologin Dr. Susan Tyler an einer „Judas Züchtung“, eine Hybridspezies die unter den Kakerlaken Enzyme verteilt, die ihren Metabolismus in einer Form verändert, dass sie Nahrung schneller verbrennen denn aufnehmen und somit dem Tode geweiht sind. Der Plan scheint zu funktionieren und nach kurzer Zeit gilt die „Strickler Seuche“ als besiegt. Drei Jahre später verschwinden allerdings mehr und mehr Menschen im New Yorker Untergrund und die Spuren führen zurück zur „Judas Züchtung“ von Dr. Tyler.

    Ich muss sagen … trotz aller Probleme zeigt dieser Film del Toros Handschrift.

    Wie von del Toro gewohnt, besticht „Mimic“ durch eine eindrucksvolle Effektarbeit, insbesondere was die praktischen Effekte anbelangt. Wann immer sie Anwendung finden, können die jeweiligen Szenen nicht bloß überzeugen, sondern versprühen ebenfalls einen gewissen Schauer. Allerdings hätte eine etwas subtilere Herangehensweise dem Horror nicht geschadet. Die Bedrohung in diesem Film ist leider etwas zu prominent vertreten und dies raubt ihr zuweilen etwas den Schrecken. Ein Problem das der „Director's Cut“ nicht beseitigen kann. Dieser besteht primär aus rund sechs zusätzlichen Minuten an Filmmaterial, dass laut del Toro der fehlenden Charakterentwicklung helfen soll. Dennoch tue ich mir schwer hierbei von einem „Director's Cut“ sprechen. Schließlich war es del Toro nicht möglich jene Szenen die es nie von dem Storyboard in den Film geschafft haben nachzudrehen. Daher hat auch diese neue Schnittfassung nur wenig mit seiner ursprünglicher Vision gemein.

    Seltsamerweise schaffen es lediglich die Nebendarsteller mich in diesem Film zu überzeugen. Josh Brolin, Norman Reedus und F. Murray Abraham sind zwar nur in wenigen Momenten zu sehen, ihnen gelingt es aber allesamt mehr in Erinnerung zu bleiben als es die eigentlichen Protagonisten , Mira Sorvino und Jeremy Northam, tun. Die Leistung beider Hauptdarsteller lässt sich mit dem Begriff farblos gar passend beschreiben, was jedoch nicht wirklich störend wirkt. Der eigentliche „Störfaktor“ von Mimic ist der Charakter Chuy. Keinesfalls aber will ich dem Kinderschauspieler Alexander Goodwin dafür die Schuld geben. Vielmehr hat del Toro mit seiner Rolle eine Figur geschaffen deren Plot in eine Sackgasse führt und die darüber hinaus kaum zu ertragen ist. Zum Glück lernte er für „Pan's Labyrinth“ aus diesem Fehler.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    „Mimic“ war der erster Horrorfilm den ich im Kino gesehen habe. Als Teenager in den 90er Jahren unterhielt mich die Kinofassung blendend. Nun, als scheinbar erwachsene Person, hoffte ich durch den „Director's Cut“ etwas mehr Substanz präsentiert zu bekommen. Leider scheiterten die sechs zusätzlichen Minuten daran mehr als nur Füllmaterial zu sein. Der Plot wird durch sie nicht besser, vielmehr sogar ziehen sie den Film unnötig in die Länge. Neben der interessante Prämisse liegen die Stärken dieses Werks im Beginn und dem Ende. Dem Mittelteil fehlt es sowohl an überzeugenden Protagonisten sowie Spannung.

    Den „Director's“ Cut sehe ich als gescheiterten Versuch del Toro's an eines seiner Frühwerke näher an seine Vision zu bringen. Obwohl ich kein großer Fan von Remakes bin, wäre es hier besser gewesen del Toro einen kreativen Freibrief für einen Neuanfang des Franchises auszustellen. Trotz meiner zahlreichen Kritikpunkte halte ich diesen Film nach wie vor für einen gelungenen Horrorfilm, dem man das Talent eines del Toros ansieht. Gleichwohl rate ich dazu den „Director's Cut“ links liegen zu lassen und zur Kinofassung zu greifen. Diese ist wesentlich kurzweiliger, durchaus unterhaltsam und deswegen meiner Meinung nach eines freitäglichen Filmabends würdig.

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
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    (Thorsten Schimpl)
    23.02.2018
    22:31 Uhr