Filmkritik zu Black 47

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  • Bewertung

    Rachewestern mit Kartoffel

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Ein Rache-Western ist an sich keine neue Idee. Regisseur Lance Daly verlegt die Handlung aber aus dem Wilden Westen in das von Hungersnot geplagte Irland des 19. Jahrhunderts, und versucht damit eine neue Nische im Genre zu schaffen. Die Prämisse ist auch interessant und vielversprechend, das Endprodukt leider weniger beeindruckend als gehofft.

    Irland 1847. Feeney (James Frecheville) kehrt nach Jahren des Dienstes in Afghanistan für die britische Krone in die irische Heimat zurück. Dort muss er lernen, dass seine Familie vertrieben oder tot ist und der Nachbar Schweine in der Ruine seines Hauses haltet. Die ansässige britische Noblesse hat erkannt, dass es aufgrund der geringen Steuern billiger ist, die „Eingeborenen“ auszuweisen als sie zu besteuern. Ziel ist es schlussendlich wie in jeder Kolonie, das Land irgendwann vollständig zu besiedeln und so richtig will sich die einheimische Gemeinschaft auch nicht anpassen mit ihrem Katholizismus und ihrem Gälisch. Als Soldaten seine Schwägerin und ihre Kinder erschießen, startet Fenney einen Rachefeldzug gegen jeden der seiner Familie Leid angetan hat, ob Protestant oder Katholik. Es ist eine Reise die ihn zu Lord Kilmichael (Jim Broadbent) führen wird, den arroganten, kaltherzigen britischen Grundbesitzer. Stets auf den Fersen ist ihm der englische Ex-Soldat Hannah (Hugo Weaving), der mit Feeney in Afghanistan gedient hat und der ihn im Namen der Krone aufhalten soll.

    Es ist eine düstere Periode in der Geschichte Irlands und Daly scheut auch keine Mühe, den Zuschauer immer wieder darauf hinzuweisen. Sollten die hungernden Menschen am Straßenrand nicht Hinweis genug sein, so präsentieren sich Landschaft und szenischer Backdrop in einem ausgewaschenen Grau, das deprimierend und wie eine traurige Höllenlandschaft wirkt. Fast hat man das Gefühl Graham Chapman könnte jeden Moment vorbeireiten und mit einem Bauern demokratische Strukturen zu diskutieren beginnen während Dante einen Erinnerungsschnappschuss festhält. Und wenn das Drama so richtig einbricht, dann schneit es natürlich. Ohne filmische Klischees geht es dann doch nicht.

    Auch in den Konversationen wird nicht mit Anspielungen gespart. Sie seien selber schuld, so Broadbents Kilmichael, dass sie jetzt alle sterben würden. „Kartoffeln essen Sklaven, nicht die Mutigen“. Hier wird ganz klar die Linie gezogen. Die englischen Lords sind böse, sehr böse, und irgendwann beginnt man sich zu wundern, ob Fenney und Hannah nicht gemeinsame Sache machen sollten. Wie praktisch für den Plot, den wie Daly selber sagte, eigentlich wollte er ja nur Charaktere mit komplexen Hintergründen schaffen, die nicht komplett nach einem Schwarz-weiß Muster agieren. Auch wenn Hannah mit Feeney fühlt, so bringt er zu Beginn des Films einen Iren beim Verhör um, weil er nicht reden will. Das Land ist nun mal ein hartes Pflaster. Und wegen irgendwas muss man Weaving auch ernst nehmen, den aus irgendeinem Grund klingt er ständig so als würde er sein Gebiss verlieren.

    Und so verschwindet Feeney langsam aber sicher als Person und wird nur mehr als Hitman in die Handlung eingewoben. Der durchgeknallte Ire, der immer wieder Leute umbringt, während Hannah und seine Bande an Verfolgern sich in episodenhaften Elementen das „Best of“ der irischen-englischen Konflikts anschauen müssen, weil der schlussendlich irgendwie relevanter ist. Ob die bösen Engländer nun versuchen die Bevölkerung mittels Suppe zum Protestantismus zu bekehren oder massenweise Korn nach England verschiffen, irgendwann wird aus dem Katz- und Mausspiel eine Frage der Ideologie. Ein „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ ohne klaren Helden. Es wird zum Showdown mit den beiden Männern kommen, denn die britischen Soldaten helfen wenig Feeney fest zu nehmen, da sie alle in etwa zu gut schießen wie die Sturmtruppen in Star Wars.

    Daly hat Recht wenn er meint, dass es Zeit war diese wichtige Episode in der Geschichte Irlands filmisch aufzuarbeiten. Bisher wurde in Filmen die Geschichte der Auswanderer in Amerika erzählt und Irland nur als das düstere Herkunftsland in den ersten paar Filmminuten porträtiert. Dabei beeinflussen die Auswirkungen des Hungers die Bevölkerung noch bis heute, das Land hat nach wie vor weniger Einwohner als vor 1847. Aber das ist nicht der Film um diese Tragik würdig und einfühlsam zu thematisieren. Das Leid ist zu ideologisiert, die Charakterzeichnung zu plump. Vielmehr reiht sich der Film in eine lange Anzahl von cineastischen Ereignissen ein, in denen die Bevölkerung vor der Identitätskrise steht. Sind sie Iren, Briten, protestantische Iren und wo gehören sie eigentlich hin? Eine Kartoffel ist hier dann weit und breit nicht mehr zu sehen.
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    (Susanne Gottlieb)
    28.03.2018
    14:19 Uhr
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