Filmkritik zu Transit

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  • Bewertung

    Flüchtlingsdrama mit Meta-Ebene

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Eigentlich mag Regisseur Christian Petzold keine Romanverfilmungen. Das Buch „Transit“ der Holocaust-Überlebenden Anna Seghers hattes es ihm dann doch angetan. Doch sein Film ist kein einfaches Abziehbild der literarischen Vorlage. Petzold erzählt die Geschichte der Flüchtlinge, die in der Hafenstadt Marseille festsitzen, vor einem kontemporären Backdrop. Eine interessante Entscheidung, die dem Zweiter Weltkrieg Drama einen interessanten Spin verleiht.

    Irgendwann im besetzten Frankreich. Der deutsche Flüchtling Georg (Franz Rogowski) entkommt den deutschen Truppen in letzter Minute und flieht aus Paris nach Marseille. Mit dabei die Hinterlassenschaft des Schriftstellers Weidel, der sich aus Angst vor seinen Verfolgern das Leben genommen hat. Darunter befindet sich auch ein Visum der mexikanischen Botschaft. In Marseille muss er beweisen, dass er nicht vor hat zu bleiben, also beginnt er sich als Weidel auszugeben um so eine Ausreise per Schiff zu organisieren. Er freundet sich mit dem jungen Driss an, dem illegitimen Kind seines Kameraden Heinz und begegnet auch dem deutschen Paar Richard (Godehard Giese) und Marie (Paula Beer). Er fühlt sich sofort zu Marie hingezogen und wie sich herausstellt, ist sie die unwissende Witwe Weidels, die noch immer auf ihn wartet. Mit den vorrückenden deutschen Truppen im Nacken muss Georg sich entscheiden, wie er weiter mit Marie verfahren wird.

    Die Entscheidung, die Handlung in der Jetztzeit spielen zu lassen, schafft klare Parallelen zur Gegenwart, erinnert den Zuschauer daran, dass die Situation für Flüchtlinge heutzutage nicht viel anders ist. „Mein Sohn, weil sich alle Länder fürchten, dass wir statt durchzuziehen, bleiben wollen. Ein Transit - das ist die Erlaubnis, ein Land zu durchfahren, wenn es feststeht, dass man nicht bleiben will“, schreibt Seghers in ihrem Roman. Eine Aussage, die sich 1:1 auf die moderne Flüchtlingskrise und die Reaktionen der EU-Länder umlegen lässt.

    Es ist auch dieser Zwischenraum, der Petzold besonders fasziniert. Fast transluzid, entfernt und in einem Nirgendwo verortet er seine Figuren. Ein Zwischenraum, eine Metaebene in der sie nur zum Existieren verdonnert sind, zum Warten auf das Unvermeidliche. Figuren werden charakterlich angerissen, aber nicht weitgehend ausgearbeitet um eine Bindung aufzubauen. Sie sind die unsichtbare Masse, die Fülle an Schicksalen, die nur peripher erahnt werden kann und zu oft der Verfolgung und der Verzweiflung zum Opfer fällt. Für Fans eines klassischen Weltkriegsdramas wird das vielleicht etwas zu bizarr sein. Für jene, die den künstlerischen Mut schätzen, eine sich lohnende Erfahrung.
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    (Susanne Gottlieb)
    28.03.2018
    15:19 Uhr
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