Filmkritik zu The Real Estate

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Schwarze Komödie zum Schwarz sehen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Eine Wohnung zu einem vernünftigen Preis zu mieten ist nicht nur in Österreichs Städten oft schwer, sondern auch in Schwedens Hauptstadt Stockholm. Die Regisseure Axel Petersén und Måns Månsson versuchen sich mit diesem Problem und der Politik dahinter in ihrer schwarzen Komödie „Toppen av ingenting“ auf humorvolle Weise auseinandersetzen. Leider versinkt der Film ob seines Versuchs, exzentrisch, böse und witzig zu sein in einem absurden Mix aus unsympathischen Charakteren, katastrophaler Kameraarbeit und uninteressanten Plotentwicklungen.

    Die 68-jährige Nojet (Léonore Ekstrand) kehrt nach einem jahrzehntelangen Partyleben an den spanischen Stränden zurück in die schwedische Heimat, als ihr Vater im Alter von 97 Jahren stirbt. Bereits in den ersten Filmminuten wird etabliert wie komplex und teuer der schwedische Immobilienmarkt geworden ist, als Nojet ein Friseurstudio besucht. Genauso eine Immobilie hat ihr Vater ihr hinterlassen, ein Wohnhaus das von ihrem dämlichen Stiefbruder Mickey (Olof Rhodin) und seinem Chris (Christian Saldert) mehr schlecht als recht verwaltet wird. Nachdem Nojet sich den Mietern bei einer Inspektion mit persönlichen Fragen aufdrängt wird schnell klar, dass mit diesem Gebäude nicht viel Geld zu machen ist. Die Wohnungen sind gefüllt mit Einwanderern ohne Papiere und Mietern mit illegalen Billigverträgen. Nojets Anwalt Lex (Christer Levin) ratet ihr die Immobilie zu verkaufen, worauf sie Mickey und Chris gewaltsam davon abzuhalten versuchen. Nojet flieht mit Lex auf seinen Landsitz, wo sie sich mittels Schießtraining und Youtube-Anleitungen für Molotowcocktails auf den letzten Showdown vorbereitet.

    „Wer raus aus Geldproblemen will, soll sich Besitz zulegen“ wird der sich quälenden Bevölkerung gern einmal zugerufen. Auch wenn eigentlich nicht zynisch gemeint, wirkt es ob der gegenwärtigen finanziellen Realität der Mittelklasse so. Nicht nur ist Besitz weit entfernt von jeglicher Realität für viele, selbst eine vollwertige Wohnung zu einem sinnvollen Preis zu mieten ist aufgrund des Wuchers fast unmöglich geworden. In diese Kerbe schlägt der Film immer wieder, versucht durch starke sozioökonomische Akkorde das Mitgefühl zum Schwingen zu bringen, nervt aber durch seine aggressive Moralkeule mehr als dass er bewegt.

    Das Scheitern der Botschaft beginnt bereits mit den Charakteren. Nojet ist zwar kein Monster, repräsentiert aber im Endeffekt den Anteil an reichen Erben, die weniger an den Schicksalen ihrer Anrainer interessiert sind sondern mehr daran, wie viel Geld aus dem Haus noch herauszupressen ist. Dass ihre stümperhafte Familie, die mit dem Elend der Anderen Geld macht indem sie die Menschen dort illegal und billig hausen lässt, noch unsympathischer wirkt, ist wahrlich eine Leistung.

    Mindestens ebenso abstoßend ist die optische Inszenierung des Spektakels. Mit seltsamen Kamerawinkeln, viel Gewackel und einem unansehnlichen Color Grading wirkt es so, als wollten die Regisseure die Hässlichkeit ihrer Charaktere nicht nur durch die Handlung, sondern auch durch die Bilder stärker zum Ausdruck bringen. Die schauspielerischen Leistungen abseits von Ekstrand, die bereitwillig vollkommen in der Rolle aufgeht, sind überschaubar. Wohl unter anderem da Petersén und Månsson mit Amateuren ohne spezifisches Talent gedreht haben.

    Der Showdown verspricht zum Schluss nochmals einen Funken Spannung, nur um dann am Höhepunkt seiner Möglichkeiten abrupt die Handlung abzubrechen. Das ist schade. Das unethische Vorgehen vieler Vermieter, ihre „problematischen Mieter“ loszuwerden ist immerhin nichts was der Film sich ausdenkt. Der Grundkern der Handlung ist daher ein bereitwillig aufgelegtes Thema, das aber so anstrengend moralisch und versucht witzig inszeniert wurde, dass es bis auf wenige Szenen einfach nur nervt.
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    (Susanne Gottlieb)
    02.04.2018
    22:36 Uhr
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