Filmkritik zu Mulan

Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    Unterhaltsame Mulan für viel Geld

    Exklusiv für Uncut
    Lange hat es gedauert. Nach einem halben Jahr an konstantem Aufschieben und Abwarten veröffentlicht Disney nun seine jüngste Live Action Adaptation „Mulan“. Ein Film, der eigentlich gemeinsam mit „Tenet“ den Kinosommer für die COVID-19 geplagten Kinos hätte retten sollen. Stattdessen entschied man sich, nachdem man sich nicht mit den Betreibern einigen konnte, das Spektakel gleich nur auf der kleinen Leinwand mit dem heimischen Disney+ Abo zu zeigen. Vorausgesetzt man ist bereit, rund 30 Dollar, umgerechnet 22 Euro dafür auszugeben. Oder man wartet auf die gratis Veröffentlichung im Dezember.

    Lohnt sich die frühzeitige Investition also? „Mulan“ ist definitiv eine der besseren Kinderanimationsadaptionen geworden. Wo manche verbissen das Original kopierten („Die Schöne und das Biest“, „Der König der Löwen“), andere die Story lieber auf den Kopf drehten („Alice im Wunderland“, „Maleficent“) und andere sich nicht mit der Idee anfreunden konnten überhaupt keine weißen Figuren im Film zu haben („Aladdin“), versucht „Mulan“ mit einem rein asiatischen Cast seine eigenen Wege zu gehen. Hommage an das Bekannte. Aber dennoch Erzählung der Sage mit neuen Mitteln.

    Das ist auch notwendig, immerhin war die Animation von 1998 ein großer Flop in China. Kulturelle Aneignung, Verwestlichung und Preisgabe zur Lächerlichkeit der Kultur waren die Anklagepunkte. „Mulan“ 2020 verzichtet somit auf Mushu, Party machende Vorfahren, bedient sich visueller Stilmittel und Kampfkünste des Asia-Kinos und castet Superstars wie Jet Li als Kaiser, Gong Li als neue Figur und Hexe Xian Lang, Jason Scott Lee, Star der ersten Live Action Adaption anno 1994 in „Das Dschungelbuch“ als Rouran Fiesling Bori Khan und den bewährten Charakterdarsteller Tzi Ma als Mulans Vater Hua Zhou.

    Mulan selber wird von der weitgehend unbekannten Liu Yifei gespielt. Die Story bleibt im Kern dieselbe. Die junge Frau wurde eher zur Kriegerin als zur Hausfrau geboren, und ein erster Termin bei der Heiratsvermittlerin geht natürlich gleich mal fürchterlich schief. Doch bevor die Familie in ewiger Scham versinken kann, wird die Kunde vom Krieg gegen die Rouran laut. Die Familie weiß, der Vater ist alt und wird nicht mehr lebend von diesem Kampf zurückkehren. Also schleicht sich seine Tochter, verkleidet als Mann, in das Trainingslager der Armee. Dort kämpft sie sich erneut von der Außenseiterrolle zur Anführerin ihrer Truppen hoch und wird zur Retterin Chinas und des Kaisers.

    Regisseurin Niki Caro, bekannt für feministische Indiedarlinge wie „Whale Rider“, nutzt Mulans Geschichte um mehr Fokus auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft und ihre Wünsche und Träume zu lenken. Dabei widersteht sie aber dem aggressiven Wink mit dem Zaunpfahl, der sich in manchen Filmen der letzten Jahre zu einem regelmäßigen Dreschen verdichtet hat, sondern nutzt Schlüsselelemente der Handlung, die sie ohne Moralpredigt in subtile Botschaften umwandelt.

    Mulan wird nicht ungewollt als Frau entblößt, sie entscheidet sich ab einem Punkt als solche zu kämpfen, um sich selbst treu zu bleiben. Sie schaut nicht auf ihre jüngere Schwester herab, die sich sehr wohl für Heirat und Heimarbeit interessiert, sondern ermutigt sie. Jedem seine Wahl sozusagen. Und dann ist da noch Xian Lang, eine Hexe, die vom chinesischen Patriarchat verstoßen wurde, da sie ihm Angst einjagt. Nun sucht sie ihr Glück bei den Rouran. Und doch scheint es, als würde ihre Gegnerin Mulan, ebenfalls Frau und von den Männern zunächst trotz ihrer Taten verachtet, ihr viel näherstehen.

    Der Film mag auch mit seiner Optik zu begeistern, den bunten Kostümen, chinesischen Festungen vergangener Zeiten und den weit ausladenden atemberaubenden Landschaften. Soldaten laufen die Wände hinauf und manchmal fühlt man sich wirklich ins asiatische Kino versetzt. Nur gelegentlich erkennt man noch sehr wohl, welcher Vorlage der Film Tribut zollt. „Wir machen Männer aus euch“, ruft der Kommandant in die Menge. Wenn Mulan sich ihrer Verkleidung entledigt, ertönen im Soundtrack die ersten Takte des Lieds „Reflection“.

    Der Film ist somit durchaus unterhaltsam, auch wenn er nicht an das Flair von Jon Favreaus „Das Dschungelbuch“ von 2016, der bisher besten Live Action Adaption, heranreicht. Ob er in China einschlagen wird bleibt abzuwarten. Ein rein asiatischer Cast mit einer asiatischen Story und asiatischen Erzählbausteinen aus einer westlichen Hollywood Filmproduktionsstätte ist eine Besonderheit. In China wird er jedoch nur ein weiterer Film sein. So wie die vielen anderen, die sie selbst jedes Jahr veröffentlichen.
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    (Susanne Gottlieb)
    03.09.2020
    19:43 Uhr
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