Filmkritik zu Ghost Stories

Bilder: Constantin Film, Concorde Fotos: Constantin Film, Concorde
  • Bewertung

    Raffinierter Horror made in Britain

    Exklusiv für Uncut
    Britische Horrorfilme lassen sich heutzutage nur noch sehr selten finden. Dabei zeichnete sich das Kino Großbritanniens einst für ein paar Genre-Meilensteine verantwortlich. Mit Vertretern wie unter anderem „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (1973), „The Wicker Man“ (1973), Roman Polanskis „Ekel“ (1965) oder gar dem kultigen „Hellraiser“ (1987) drehten britische Filmemacher ein paar wahrhaftige Klassiker, die maßgeblich das Genre mitprägten. Schauspieler, Drehbuchautor und Zauberkünstler Andy Nyman, selbst großer Liebhaber des Horror-Genres, kreierte im Jahre 2010 gemeinsam mit Autor Jeremy Dyson ein Theaterstück in Anlehnung an klassische britische Horror-Anthologie Filme der Hammer-Ära der 60er- und 70er-Jahre. Das fertige Stück „Ghost Stories“ erwies sich nach seiner Uraufführung in Liverpool sowohl bei der Presse als auch bei den Zuschauern als enormer Erfolg und durfte seitdem auch in anderen Großstädten gastieren. Nun wurde das Bühnenstück, einmal mehr unter der Regie von Nyman und Dyson, für die große Leinwand adaptiert und der fertige Film kann sich durchaus sehen lassen.

    „Ghost Stories“ erzählt vom Psychologie-Professor Philip Goodman (gespielt von Nyman selbst), der fest davon überzeugt ist, dass Geister nicht existieren und der sich in seiner eigenen Fernsehsendung der Entlarvung vermeintlich übernatürlicher Erscheinungen widmet. Als er einen Brief von seinem Idol, dem angeblich verstorbenen Psychologen Charles Cameron, erhält, bittet ihn dieser darum, drei paranormale Fälle zu untersuchen, die er selbst nie lösen konnte. Bei den vermeintlichen Vorkommnissen handelt es sich um eine übersinnliche Erfahrung eines ehemaligen Nachtwächters (Paul Whitehouse), die teuflische Begegnung eines neurotischen Teenagers (Alex Lawther) und die geistliche Prophezeiung des schrecklichen Schicksals eines Geschäftsmanns (Martin Freeman). Auch wenn Goodman die Fälle zu Beginn noch belächelt, beginnt er schon bald an seinem eigenen Verstand zu zweifeln.

    Gegen Anfang kommt der Grusel-Schocker noch ein wenig wie ein generischer paranormaler Geister-Film daher und zugegebenermaßen wirken auch die drei Horror-Episoden des Films narrativ gesehen etwas herkömmlich konstruiert. Der klassische ‚Jumpscare‘ kommt im ersten Drittel des Öfteren zum Einsatz und auch andere Horror-Klischees oder –Tropen werden mehrfach verwendet. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Filmemachern, bediente man sich für diesen Film jedoch vollkommen bewusst dem endlosen Topf der Horror-Tropen und serviert diese hier mit einem deftigen Augenzwinkern. Dabei haben Nyman und Dyson die einzelnen Geschichten zudem mit zahlreichen Referenzen und Hommagen an Genre-Klassiker vollgespickt. Wenn denn nun beispielsweise legendäre Einstellungen aus Sam Raimis „Evil Dead“ (1982) oder „An American Werewolf in London“ (1984) zitiert werden, dann lässt dies das Herz eines Horrorfans auf alle Fälle höher schlagen.

    Trotz der ironischen Herangehensweise bei der Erzählung der drei Geistergeschichten, nehmen sich diese dennoch Ernst und können auch durchaus mit Gruselfaktor punkten. Dass die einzelnen Geschichten funktionieren, kann vermutlich maßgeblich den Schauspielern und der Stilistik verdankt werden. Auf schauspielerischer Ebene sei besonders Jungdarsteller Alex Lawther („Freak Show“) hervorzuheben, der in der zweiten Episode des Films das verstörte Gemüt des Teenagers Simon Rifkind mit Bravour mimt. Auch Paul Whitehouse als der konservativ kauzige Wachmann Tony Matthews und Martin Freeman als Geschäftsmann Mike Priddle können mit britischem Charme und Feingefühl schauspielerisch auf voller Linie überzeugen. Stilistisch gesehen können die Episoden mit schaurig schön ästhetisierten Aufnahmen, knackigen Schnitten und herrlichen Old-School-Vibes für eine beklemmende Atmosphäre.

    Die Hauptrahmenhandlung rund um Professor Goodman und dessen Begegnungen mit den verstörten Protagonisten der drei Geistergeschichten profitiert neben dem tollen Spiel von Andy Nyman besonders von ein paar originellen erzählerischen Kniffen und Turns, die einen tief in die Psyche des Protagonisten blicken lassen. Dabei sei dem Zuschauer geraten stets aufmerksam zu bleiben, denn es wurde hier mit großer Detailverliebtheit hantiert.

    Worunter der Film jedoch ein wenig leidet ist die teils zu lang geratene Lauflänge der einzelnen Geistergeschichten sowie die ab und an selbstgefällig daherkommende Erzählweise. Es sei zudem gesagt, dass der Streifen gegen Ende in ein fulminantes Finale gipfelt, das definitiv die Gemüter spalten wird, in meinen Augen aber eine der größten Qualitäten des Films darstellt und für mich rückblickend auch stellvertretend für die raffinierte Durchdachtheit des Drehbuchs steht.

    „Ghost Stories“ vermischt klassische Horror-Elemente mit interessanten neuen Ansätzen und bietet dabei ein durchgehend unterhaltsames wie auch schauriges Endergebnis. Große Empfehlung für Genre-Fans!
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    (Christian Pogatetz)
    23.04.2018
    13:52 Uhr