Filmkritik zu Thelma

Bilder: Thim Filmverleih Fotos: Thim Filmverleih
  • Bewertung

    Strenge Erziehung oder selbstbestimmtes Leben?

    Exklusiv für Uncut
    Der neue Film von Joachim Trier erzählt von der jungen Thelma, die nach und nach übernatürliche Kräfte an sich entdeckt, diese jedoch nicht kontrollieren kann. Thelma kommt vom Land, wo sie von ihren Eltern Trond und Unni christlich erzogen wurde. In Oslo, wo sie wegen ihrem Biologiestudium lebt, kennt sie niemanden und macht auch nicht wirklich Anstalten Freunde zu finden. Sie lebt zurückgezogen und fühlt sich oft einsam, was sie auch ihrem Vater bei einem Besuch ihrer Eltern in der Stadt beichtet.

    Eines Tages fällt ihr im Lesesaal der Uni eine andere Studentin auf und während aus unerklärlichen Gründen mehrere Vögel gegen die Fensterscheiben des Lesesaals fliegen, hat Thelma epilepsieartigen Anfall. Thelma trifft Anja, so heißt die junge Frau aus dem Lesesaal, bald wieder, nämlich als diese sie zufällig im Schwimmbad trifft, wo Thelma regelmäßig ihre Bahnen zieht, und Anja sich nach dem Befinden von Thelma erkundigt. Man merkt sofort, dass sich Thelma aus irgendeinem Grund zu Anja stärker verbunden fühlt, als zu ihren restlichen Mitstudierenden und nach einiger Zeit überwindet sie ihre Introvertiertheit und trifft sich immer öfter mit Anja. Sie geht auf Partys mit, trinkt Alkohol, raucht Zigaretten und lässt ihre streng religiöse Erziehung zurück.

    Doch mit ihrem Lebenswandel häufen sich auch ihre Anfälle und Thelma wird bald klar, dass die merkwürdigen Ereignisse, die rund um sie geschehen, etwas mit ihr und ihren Anfällen zu tun haben muss. Nach und nach scheint sie außerdem Realität, Rausch und Traum nicht mehr auseinanderhalten zu können und auch für den Zuschauer verschwimmen diese Zustände zusehends. Die Punkte an denen man sich festhalten und an denen man die Realität messen kann verschwinden mit der Zeit und es bleiben auch die Aussagen zu Thelmas Hintergrundgeschichte vage. Auf ihre Vergangenheit und ihre Familie befragt antwortet Thelma so immer wieder mit dem Wort „eigentlich“. Es eröffnet dieses Wort, so scheint es, in Folge den unerklärlichen Vorkommnissen, rund um die junge Thelma, Tür und Tor.

    Der Film mit seiner titelgebenden Protagonisten, wunderbar beklemmend gespielt von Eili Harboe, lässt den Betrachter von der ersten bis zur letzten Sekunde nicht los. Von Beginn an befindet man sich auf unsicherem Terrain und traut sich nicht vorherzusehen was als nächstes passieren könnte. Ein Film mit großen Bildern und wenigen Worten, der dadurch nur umso eindrücklicher nachwirkt. Thelma spricht u.a. große Themen wie Religion, Wissenschaft, Erziehung und Eigenverantwortung an und zeigt, dass es für Jugendliche oft schwer sein kann bestimmte Erziehungsmuster zurückzulassen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

    Ob man nun an die Religion oder die Wissenschaft glauben soll ist nicht nur Thema einiger Dialoge im Film, sondern ist auch in der grundlegenden Struktur des Films, der sich eben aus verschiedenen unerklärlichen Ereignissen zusammensetzt, verankert. Eine Antwort auf diese Frage kann und will der Film aber natürlich nicht geben. Es geht Trier wohl eher auch darum eine Geschichte zu erzählen die sagen will, entscheidet selbst wie ihr euer Leben gestalten wollt, bevor gewisse Regulierungen euer Leben für euch bestimmen. Denn durch solche Regulierungen kann Ärger und Groll erwachsen, der sich in bestimmten Situation dann in geballter Form Luft zu verschaffen sucht.
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    (Daniel Pramberger)
    08.05.2018
    13:35 Uhr