Filmkritik zu Astrid

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    Rebellion in Bullerbü

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    In Österreich, heisst es, muß man erst sterben um berühmt zu werden. Auf Astrid Lindgren traf das nicht zu. Sie war schon zu Lebzeiten eine der bekanntesten Frauen des 20. Jahrhunderts. Der Mensch hinter der einflußreichsten Kinderbuchautorin wird allerdings wirklich erst posthum mehr und mehr entdeckt. Es ist als würden die erwachsenen gewordenen Kinder im Haus ihrer verstorbenen Geschichtenerzählerin aufräumen. So sind in den letzten Jahren etwa ihre hellsichtigen Tagebücher aus der Zeit des 2. Weltkrieges veröffentlicht worden („Die Menschheit hat den Verstand verloren“).

    „Unga Astrid“ portraitiert die spätere Schriftstellerin in einer ihrer wichtigsten Lebensphasen noch einmal zehn bis fünfzehn Jahre früher. Das familiäre Idyll am elterlichen Hof wird der Sechzehnjährigen langsam zu eng – oder besser: sie wird dafür zu groß. Unkonventionelles Denken, überbordende Fantasie und fröhliches Grenzen überschreiten wäre einem Kind durchaus noch zugestanden, aber von einer jungen Erwachsenen wird erwartet, dass sie sich den Konventionen fügt. Aber Astrids Eltern sind tolerant, versuchen ihren Willen nicht zu brechen, sondern sie ihren Talenten gemäß zu fördern. So ist es ihr Vater, der ihr einen ersten Job als Redaktionsassistentin beim Lokalblatt ans Herz legt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich allerdings auch bald eine Affäre mit dem deutlich älteren und auch noch verheirateten Herausgeber und das passt dann schon weniger in den Rahmen. Dass die junge ledige Mutter sich dann nicht für den naheliegendsten Weg entscheidet, den Vater ihres Sohnes auch zu heiraten, ist der letzte große Schritt auf ihrem Weg zur autonomen Persönlichkeit.

    Dieser Film ist europäisches Erzählkino nach allen Regeln der Kunst. Prall und doch nicht überladen, mit perfekter Arbeit aus allen Abteilungen: Musik, Ausstattung, Drehbuch, Kamera... und am wichtigsten: Schauspiel. Alba August brilliert in der Titelrolle und vollbringt das Kunststück die Entwicklung vom großen Kind, über die junge Frau zur selbstbewussten Alleinerzieherin glaubhaft darzustellen.

    Je mehr man auf das Werden der Astrid Lindgren blickt, desto klarer wird was ihre Größe im Leben und als Schriftstellerin ausmachte: sie hat sich und ihren Lesern nie die schwierigen und dunklen Seiten des Daseins erspart. Und gerade das machte sie so überzeugend und liebenswürdig.
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    (Michael Gegenhuber)
    23.02.2018
    20:46 Uhr