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  • Bewertung

    Hommage an die Buchwelt von gestern

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Großer Andrang herrscht bei der Premiere von „The Bookshop“ , der Regisseurin Isabel Coixet, dem ersten großen Film der heurigen Schiene „Berlinale Special Gala“ und ebenso hoch sind die Erwartungen. Hat sich doch die Katalanin an die Adaption eines weltweit bekannten Bestsellers gemacht, dem gleichnamigen Roman von Penelope Fitzgerald.

    Erzählt wird darin die Geschichte der Kriegswitwe Florence Green, die nach Jahren der Trauer den Traum von der eigenen Buchhandlung im verschlafenen Küstenort erfüllt und dabei auf Widerstand aus der lokalen Oberschicht stößt. Widerstand, der gar nicht einmal moralisch motiviert ist – Grund gäbe es: Florence kümmert sich um die Verbreitung der Aufregerbücher der Epoche, allen voran „Lolita“ von Vladimir Nabokov. Nein, sondern allein die Eitelkeit einer noblen Dame macht ihr das Leben schwer. Diese duldet partout nicht, dass Florence in jenem alten Haus einzieht, wo sie doch ihr Steckenpferd - ein "Kunstzentrum" - unterstellen wollte. So ist „The Bookshop“ gar nicht so sehr die Hommage an die Bibliophilie, die der Pressetext des Filmes verspricht, sondern auch die Geschichte ihrer Gegner und ihres Untergangs
    Der Hintergrund vor dem sich der Plot entwickelt bietet jede Menge Gelegenheit für pittoreske Details: hübsche Fischerboote, rotgelockte Kinder die unschuldig zum Schulhaus hopsen, neugierige Nachbarinnen, die die selbstbewusste Witwe scheinheilig und überhöflich von Weitem grüßen. So lieblich ist die Szenerie, fast erwartet man, dass Peter Rabbit aus einem der Bilderbücher von Beatrix Potter durchs Bild läuft. Aber nein, die meiste Zeit entgeht man der Kitschfalle und darf stattdessen zähneknirschend zusehen wie die rechtschaffene Buchhändlerin von ihrer übermächtigen Gegenspielerin systematisch und ausgesprochen subtil terrorisiert wird.
    Dass der Film gegen Ende dann doch sehr hart an die Schmalzgrenze kommt, ist wohl der Romanvorlage zu geschuldet: die ausgesprochen melodramatischen Wendungen gegen Ende ließen sich offenbar nicht herausschreiben.

    Dass „The Bookshop“ dennoch gestandenes Entertainment ist, liegt an der makellosen Besetzung, dem herrlichen, höchst britischen Konversationston der Dialoge und nicht zuletzt an der dezent kammermusikalisch gehaltenen Tonspur.

    Und wenn man will, dann kann man den Film auch als eine Parabel auf den tatsächlichen, leider zu oft aussichtslosen Kampf vieler kleiner inhabergeführter Buchhandlungen gegen den allgegenwärtigen Onlinehandel sehen. Ob die im Jahr 2000 verstorbene Penelope Fitzgerald diese Entwicklung wohl schon vorausgesehen hat?
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    (Michael Gegenhuber)
    17.02.2018
    12:18 Uhr