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  • Bewertung

    Hommage an einen Künstler

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2018
    Eigentlich hätte es ja Robin Williams werden sollen. Der Schauspieler hatte vor rund 20 Jahren die Rechte an der Autobiographie John Callahans gekauft, einem saufenden, rauchenden, fluchenden und politisch unkorrekten querschnittsgelähmten Cartoonisten aus Portland, Oregon. Durch Williams frühen Tod ging die Rolle an Joaquin Phoenix. Einem Schauspieler, der weniger durch seine komödiantische Ader auffällt, sondern durch die Fähigkeit vollkommen und akribisch in seinen Figuren zu versinken. Und wer „Patch Adams“ schon nicht sonderlich leiden konnte wird verstehen, dass die Rolle im Endeffekt bei ihm auch besser aufgehoben ist.

    John (Joaquin Phoenix) hat seit seiner Jugend ein Alkoholproblem und daher ist es für ihn auch nicht ungewöhnlich, als er sich eines Abends nach einer durchzechten Nacht mit dem ebenfalls betrunkenen Dexter (Jack Black) ins Auto setzt. Die beiden geraten in einen Unfall, John ist von nun an querschnittsgelähmt. Er kann zwar die Hände noch ein wenig bewegen, sein restlicher Körper ist aber auf konstante Pflege angewiesen. Erst gibt sich John seinem Selbstmitleid hin, aber als er der Alkoholiker-Selbsthilfegruppe von Donny (Jonah Hill) beitritt und eine Beziehung mit Annu (Rooney Mara) beginnt, entwickelt er den Willen sein Leben neu zu ordnen. Und er entdeckt seine alte Leidenschaft fürs Zeichnen wieder und sein überraschendes Talent als satirischer Cartoonist.

    Eigentlich hatte Callahan in seiner Biographie noch viel mehr zu erzählen, Regisseur Gus Van Sant und sein Team entschieden sich aber dafür, nur die Episode rund um den Unfall und die Genesung zu erzählen. „Don’t worry…“ ist somit neben den ebenfalls auf der Berlinale gelaufenen „Dovlatov“ und den „3 Tage in Quiberon“ der dritte Film, der seine biographische Zeitspanne auf einen begrenzten Abschnitt im Leben konzentriert. Das ist zwar dramaturgisch kompakter, lässt den Film aber immer wieder in vorgefertigte Fußstapfen des Genres treten. Der vom Schicksal getroffene Mann, der diesen Schock überwinden muss um ein besserer Mensch zu werden.

    Dass der Film trotzdem funktioniert, liegt zu einem guten Teil an Van Sants peppiger Inszenierung, der fröhlichen Musik von Danny Elfman und dem feinen Humor, der sich immer wieder durchs Drehbuch zieht, ohne zu sentimental zu werden. Dass hier nicht alles „squeaky clean“ ist wird auch nochmals durch Callahans etwas unkorrekte Illustrationen unterlegt, die die Handlung in animierter Form immer wieder unterbrechen. Die Verpflichtung von den Komikern Hill und Black in Nebenrollen gibt dem sonst eher seriösem Phoenix zudem ein schauspielerisches Gegengewicht.

    In einer Welt, die kurz vor der Übernahme Ronald Reagans als US-Präsident steht und den damit verbundenen finanziellen Reformen zugunsten der Oberschicht, ist noch nicht das ökonomische Überleben Johns größte Sorge, sondern es durch das 12 Punkte Programm der Anonymen Alkoholiker zu schaffen. Das geht einmal mit mehr und einmal mit weniger Tragik. Ein Treffen zwischen Dexter und John Jahre später wirkt nicht nur auf den Protagonisten kathartisch, sondern ist auch für den Zuschauer berührend. Rooney Maras Charakter hingegen wirkt wie ein aufgezwungener Love Interest der sich nie vollständig organisch in die Handlung einfügt.

    Williams wäre dem humorvollen Callahan vielleicht als Person näher gewesen als der etwas stoische Phoenix. Der Wechsel im Hauptdarsteller zwang Van Sant jedoch die Energie und die Stimmung auch aus dem Umfeld seines Protagonisten zu holen, während eine Williams Version wohl eine „One Man Show“ geworden wäre. Das tut dem Film gut, und es ist in erster Linie dieses Miteinander der Charaktere, was Schwung in die Handlung bringt. Denn um ein erster Beitrag zum Thema „Überkommen von Sucht“ und „Anonyme Alkoholiker“ zu sein, ist er dann doch nicht tiefgründig genug.
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    (Susanne Gottlieb)
    28.03.2018
    13:46 Uhr
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