Bilder: 20th Century Fox Fotos: 20th Century Fox
  • Bewertung

    Another One Bites the Dust

    Exklusiv für Uncut
    Ein Biopic rund um die Kultband Queen und den legendären Frontmann Freddie Mercury befand sich schon seit einigen Jahren in Planung, stand lange Zeit jedoch unter keinem guten Stern. Ursprünglich sollte Freddie Mercury von dem in erster Linie für komödiantische Rollen wie Borat oder Brüno bekannten Sacha Baron Cohen verkörpert werden, der jedoch 2013 das Projekt verließ. Der Anlass für Cohens Rückzug war die Richtung, die die Handlung der biographischen Verfilmung laut Queen-Gitarrist Brian May und den restlichen lebenden Mitgliedern der Band einschlagen sollte. Cohen wollte, dass der Film den Fokus auf den exzessiven Lebensstil Mercurys setzen sollte, zu dem nun mal auch Drogenpartys und sein wildes Sexualleben gehörten. Seine ehemaligen Bandkollegen hingegen verlangten eine familienfreundliche Herangehensweise an das Thema. Nach Cohens Ausstieg wurde zunächst Schauspieler Ben Whishaw, bekannt als Q in den neuen James Bond-Filmen, als dessen Ersatz gehandelt und Dexter Fletcher als neuer Regisseur für das Projekt angeheuert. Schlussendlich wurde dann Mitte 2016 Bryan Singer („X-Men“, „Die Üblichen Verdächtigen“) als offizieller Regiseur des Films bestätigt und der US-amerikanische Darsteller Rami Malek, Star der Hitserie „Mr. Robot“, als neuer Mercury besetzt. Plötzlich schien es um die Produktion endlich mal rosig zu stehen, bis dann die Dreharbeiten begannen und einmal mehr für Negativschlagzeilen sorgten. Regisseur Bryan Singer, dem mittlerweile mehrfach sexuelle Übergriffe nachgesagt werden, verhielt sich nämlich am Set wie ein Rüpel und lag angeblich auch mit Hauptdarsteller Malek im Clinch. Der endgültige Bruchpunkt war dann jedoch erreicht, als im letzten Dezember Singer plötzlich tagelang nicht mehr ans Set kam und in Folge dessen seinen Posten als Regisseur des Films verlor. Für die restlichen Drehtage nahm den Platz am Regiesessel dann der ursprüngliche Regisseur Dexter Fletcher ein, der auch das demnächst erscheinende Elton John-Biopic „Rocket Man“ gedreht hat. Da laut dem „Directors Guild of America“ in einem solchen Fall nur eine Person als Regisseur eines Films angegeben werden darf, bekam jetzt nichtsdestotrotz Bryan Singer alleinig den „directing credit“ zugeschrieben. Trotz der ganzen Eskapaden während des Drehs darf der abgeschlossene Film mit dem Titel „Bohemian Rhapsody“ - benannt nach einem der legendärsten Songs der Band - in wenigen Tagen Einzug in die weltweiten Kinos finden.

    Merkt man dem finalen Produkt nun also seine chaotische Produktion an? Or WILL it truly ROCK YOU?

    Es darf an dieser Stelle auf jeden Fall gesagt werden, dass man dem Film zu kaum einer Sekunde anmerkt, dass hier mehrere Personen am Werk waren und das Ganze durchwegs stringent erzählt wurde. Leider bediente man sich jedoch einer sehr konventionellen Erzählstruktur, die dem außergewöhnlichen Genius Mercurys nicht wirklich gerecht wird.


    Zunächst aber zum Positiven: Trotz altbewährter Erzählmuster legt der Film eine schwungvolle Energie an den Tag, die einen definitiv in seinen Bann ziehen kann. Durch schnelle sowie dynamische Schnitte, überstilisierte Kameraeinstellungen und der natürlich fantastischen Musik von Queen kreiert der Film ein flottes Pacing, das die Lauflänge von 133 Minuten wie im Fluge vergehen lässt. Der Aspekt, der die Biografie jedoch schlussendlich zusammenhält und dem Film sogar mehr Kraft abgewinnen konnte, als eigentlich in ihm steckt, ist die fantastische Schauspieldarbietung von Rami Malek in der Hauptrolle. Obwohl Malek Freddie Mercury optisch kaum ähnlich sieht, ist es ihm gelungen, einen jeden seiner Angewohnheiten und Eigenheiten auf den Punkt zu bringen. Dabei konnte Maleks Performance das häufig nur so vor Pathetik triefendem Drama des Films davor bewahren, in unerträglichen Kitsch abzudriften. Sein Spiel bildet das Herzstück des Ganzen und dient dem Film zweifelsohne als Hauptantrieb. Von den restlichen Darstellern der Bandmitglieder Queens wäre vor allem Gwilym Lee als deren führender Gitarrist Brian May hervorzuheben, der dem jungen May nicht nur zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch mit schauspielerischer Finesse überzeugen kann. Aus der breiten Riege an Nebendarstellern sticht ansonsten besonders „Austin Powers"-Star Mike Myers heraus, der hier nach mehrjähriger Schauspielpause endlich wieder für eine kleine Rolle auf die großen Leinwand zurückgekehrt ist. Myers sorgt als Plattenboss Ray Foster, der sich nicht vorstellen kann, dass die außergewöhnliche Aufmachung des Songs „Bohemian Rhapsody“ ein breites Publikum ansprechen kann, für eine der witzigsten Szenen im Film. Allgemein ist die Szene rundum die Entstehung von „Bohemian Rhapsody“ sehr unterhaltsam und detailreich geworden. Leider handelt es sich hierbei auch um deren einziges Lied, das spielerisch mit einer Szene gewürdigt wurde, die die Brillanz derer Kompositionen auch gekonnt einfängt. Die restliche Verwendung der Musik im Film kommt eher wie ein aneinandergereihtes Best-Of der bekanntesten Hymnen Queens daher, die ohnehin jedem geläufig sein dürften und selten spektakulär genug zum Einsatz kommen.

    Dieser Punkt bringt mich nun also zum größten Problem des Films: die Erzählweise. Obwohl im Film selbst mehrfach das einzigartige Auftreten von Mercury und Queen sowie generell das Ungewöhnliche, das sich außerhalb der Norm befindliche in der Welt zelebriert wird, hat der außergewöhnliche Charakter, der die Band einst auszeichnete, offenbar nicht auf das Drehbuch des Films abgefärbt. Es scheint als hätte man sich einer ausgelutschten Blaupause für Band- beziehungsweise Musiker-Dramen bedient, die heutzutage einfach keinen allzu großen Effekt mehr erzielt. Der Film spielt sich wie ein glorifizierter Wikipedia-Artikel über Queen ab, der sich von der Gründung der Band bis hin zu Freddies tragischer AIDS-Diagnose erstreckt. Das Biopic möchte als lange Checklist der größten und sowieso jedermann bekannten Höhepunkte der Band funktionieren, hat dabei aber darauf vergessen sich wirklich Zeit zu nehmen, um auch an nur einem Moment konsequent in die Tiefe zu gehen. Zwar versuchte man sehr wohl Drama zu konstruieren, dieses weiß in den meisten Momenten aber so gar nicht zu zünden. Freddies Identitätsfrage und Entdeckung der eigenen Homosexualität wird schnell und lieblos abgehandelt, während jedoch einem generisch konstruierten und in Kitsch getränken Sideplot über Mercurys Ex-Freundin Mary Austin viel zu viel Zeit geschenkt wurde. Aber allen voran das Familiendrama rund um Mercurys indische Eltern, die zu Beginn nicht begeistert von dessen gewollter Musikkarriere sind, wurde derart formelhaft aufbereitet, dass man sich bei der vorsehbaren Lösung des Konflikts nur noch an den Kopf greifen möchte. Die Eskapaden, die Drogenpartys, das brisante Sexualleben: all diese essentiellen Teile Mercurys Lebens werden außen vor gelassen, um ein jugendfreundliches und weichgewaschenes Biopic gebacken zu bekommen. Viel interessanter wäre gewesen sich auf einen gewissen Punkt in der Karriere Mercurys und Queens festzulegen, anstatt so rasch wie möglich alle Highlights durchzurattern.

    Es sei am Ende des Tages gesagt, dass „Bohemian Rhapsody“ keineswegs ein schlechter Film geworden ist. Nein, durch das energiegeladene Editing, der phänomenalen Musik und Rami Maleks oscarwürdigen Darstellung kann der Film einen defintiv mitreißen. Zahlreiche Fans der Band werden hier bestimmt auf ihre Kosten kommen und bekommen vermutlich genau das, was sie sich erwarten: Eine biografische Aneinanderreihung der Karrierehighlights Queens und Freddie Mercurys untermalt von einem Best-Of der populärsten und eingängigsten Queen-Songs. Wer sich aber eine wirklich tiefgehende Auseinandersetzung mit der sagenumwobenen Figur des Freddie Mercury und eine - im Sinne des Genies der Band - weniger konventionell geratene Herangehensweise erhofft hatte, wird den Kinosaal vermutlich enttäuscht verlassen.

    I'm sorry, my friends: But this movie ain't no champion for me.
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    (Christian Pogatetz)
    30.10.2018
    08:27 Uhr