Bilder: Schröder Media Fotos: Schröder Media
  • Bewertung

    Ein verrückter Mix aus Fantasy und Science Fiction

    Eldritch Advice
    Der britische Schriftsteller Sir H. Rider Haggard gilt als einer der Begründer der modernen Fantasy und Science Fiction Literatur. Eines seiner bekanntesten Werke ist der Roman „Sie“ bzw. „She – A History of Adventure“ im englischen Original. Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1887 wird das Buch durchgehend neu aufgelegt. „Sie“ ist eine der ersten „Vergessene Welt“-Geschichten und spielt in einem vom Rest der Welt abgeschotteten Teil Afrikas über den die Königin Ayesha als „She who must be obeyed“ gottgleich regiert. Als wegweisendes Werk für diverse Literaturgattungen, erfolgten bis dato zahlreiche Adaptionen in das Medium Film. In einer davon entschied sich der Regisseur Avi Nesher dazu, diese Geschichte von einer „Vergessenen Welt“ des viktorianischen Zeitalters in eine postapokalyptische Welt der Zukunft zu verlegen. Der deutsche Titel des Films ist hier Programm: „She - Eine verrückte Reise in die Zukunft“

    Wir schreiben das Jahr 23 nach der „Cancellation“, einem apokalyptischen Ereignis das die Menschheit an den Rand des Aussterbens gebracht hat. Die wenigen Überlebenden haben sich in Fraktionen zusammengeschlossen, die in einem brüchigen Frieden nebeneinander existieren. Die gefährlichste dieser Gruppierungen sind die Norks. Ihnen gelüstet es nach Krieg und immer wieder unternehmen sie Raubzüge auf denen sie brandschatzend Nahrung entwenden und Frauen entführen. Eine dieser Frauen ist die Schwester der reisenden Händler Tom und Dick. Diese haben sich geschworen sie zu befreien. Doch auf den Weg nach New Nork, der Heimat der Norks, müssen sie die Gebiete der anderen Fraktionen durchqueren. In einer davon herrscht die Göttin She und sie alleine bestimmt darüber ob die Rettungsmission der beiden Brüder ihr Ende in ihrem Domizil findet oder sie ihre Hilfe erhalten.

    Ich muss sagen … Es fällt mir schwer in Worte zu fassen, was sich mir da soeben offenbarte.

    Avis Nesher mag heutzutage zwar als respektabler und vielfach ausgezeichneter Filmemacher gelten, in den 80er Jahren war davon aber noch relativ wenig zu sehen. „She - Eine verrückte Reise in die Zukunft“ leidet unter anderem darunter, dass der Film kaum einen roten Faden erkennen lässt, äußerst dilettantisch geschnitten ist und die Welt in der das Geschehen stattfindet keinen Sinn ergibt. Jedoch hat Neshers Frühwerk auch seine positiven Seiten. Mitunter lässt sich sehr viel Kreativität darin erkennen und die Kostüme und Effekte sind wahrlich sehenswert. Des Weiteren schadet es natürlich nicht, wenn der Soundtrack vom grandiosen Keyboarder Rick Wakeman stammt und auch Motörhead musikalisch etwas zum Film beitrugen. Insgesamt betrachtet, eine bizarre Mischung.

    Die Besetzung beinhaltet größtenteils Schauspieler die man aus ähnlichen Trashfilmen der 80er Jahre kennt, wie etwa Harrison Muller oder Elena Wiedermann. Zwei Akteure stechen in dieser Produktion jedoch klar hervor:

    Zum Ersten ist dies Gordon Mitchell. Der in Denver geborene Bodybuilder war einer der ersten Kraftsportler, der den Ruf des legendären Steve Reeves in das Filmgeschäft folgte, nachdem dieser in den 50er Jahren die goldene Ära des antiken Monumental- und in Folge dessen des Sandalenfilms einläutete. Durch seine imposante Figur wurde er ein Star in Italien und konnte selbst in Kubricks oscarprämierten Werk „Spartacus“ eine kleinere Rolle landen. In „She - Eine verrückte Reise in die Zukunft“ spielte er die Rolle des Antagonisten Hector und überzeugte dabei mit einer routinierten Darbietung, in der er den Heerführer der Norks bedrohlich, berechnend, arrogant und mit sehr viel Stolz darstellte.

    Zum Zweiten, Sandahl Bergman. Die äußerst talentierte Tänzerin und Theaterschauspielerin erlebte bereits früh in ihrer Karriere ihr berufliches Highlight. An der Seite von Arnold Schwarzenegger spielte sie Valeria im 1982 erschienene „Low Fantasy“-Epos „Conan der Barbar“ und gewann in Zuge dessen einen Golden Globe als beste Nachwuchsdarstellerin. Größere Rollen blieben danach für die athletische und großgewachsene Amazone aber leider aus und so verdingte sie sich primär als B-Movie-Star. So kam es dazu, dass sie für Neshers Haggard-Adaption die titelgebende Rolle annahm, ein großer Gewinn für diese Produktion. Bergman kann in der Rolle als „She“ durchwegs überzeugen und verleiht ihr Würde und Charisma. Obwohl jede ihrer Bewegungen spielerisch wirkt, schafft sie es ihren Part mit der nötigen Ernsthaftigkeit darzustellen. Dadurch ist sie ein wichtiger Ankerpunkt in einem sonst chaotischen und wirren Film.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    „She - Eine verrückte Reise in die Zukunft“ macht es einem nicht einfach sich in seiner Welt zu verlieren. Die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit mag nicht so recht gelingen, wenn 23 Jahre nach der Apokalypse manche Gebäude und Gegenstände noch so aussehen als wären sie neu, zeitweise noch Elektrizität vorhanden ist, aber im Kontrast dazu Menschen im Stile der Antike, des Mittelalters oder, wie es in vielen post-apokalyptischen Filmen en vogue ist, ganz in Leder, Nieten und Sportbedarf gekleidet sind. Dies alles wirkt so, als hätte die Bevölkerung grundsätzlich die Möglichkeit sich „normal“ zu kleiden, entschied sich nach der „Cancellation“ allerdings dazu mit der genretypischen Mode zu gehen. Um diesen Film genießen zu können, sollte man es jedenfalls tunlichst vermeiden den Weltenbau zu hinterfragen. Gelingt dies, so wird man auf eine skurrile und schräge Reise entführt, in der unsere Helden es mit Werwölfen, einem religiös-kommunistischen Kult, einem etwas schrillen verrückten Wissenschaftler und weiteren Absurditäten aufnehmen, ehe sie letztendlich in „New Nork“ die Norks zur letzten Schlacht herausfordern können. Kurzum, der Film wird von Minute zu Minute aberwitziger und unterhaltsamer.

    Es mag sich hier zwar um einen amateurhaften Film mit unzähligen Fehlern handeln, aber trotz alledem ist er durchwegs amüsant und das Finale hat sogar einen Hauch von Größe. Darüber hinaus ist es stets ein Genuss Sandahl Bergman als die Kriegergöttin, die sie nun mal ist bewundern zu dürfen. Obwohl die Laufzeit von 100 Minuten etwas zu lange wirkt habe ich mich nie gelangweilt. Wenn man Trashfilme mag und einer Mischung aus „Sword & Sorcery“ und „Post-Apocalyptic Science Fiction“ etwas abgewinnen kann, wird man an diesem Werk viel Freude haben. Ist es eine gelungene Adaption von Sir H. Rider Haggards wegweisenden Roman „Sie“? Mitnichten! Es ist eine regelrechte Entstellung dieses literarischen Klassikers. Handelt es sich hierbei indes um einen unterhaltsamen Film? Voll und ganz! Deswegen ist „She - Eine verrückte Reise in die Zukunft“ meiner Meinung nach eines freitäglichen Filmabends würdig.

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
    https://goo.gl/oYL4qZ
    screenshot_20230313_084016_instagram_41406a0cb9.jpg
    (Thorsten Schimpl)
    10.11.2017
    21:17 Uhr