Filmkritik zu Niñato

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  • Bewertung

    Was wir tun zeigt wer wir sind

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Adrián Orr bleibt mit der Kamera den ganzen Film über sehr nahe an den Personen und schafft es dadurch, dass wir tief in das Leben von David, einen alleinerziehenden Rapper und seinen Kindern Oro, Luna und Mimi eindringen können. Die Umgebung wird zur Nebensache und beinahe überflüssig. Zwischenmenschliche Beziehungen treten so stärker hervor und werden genau unter die Lupe genommen. Dabei bleibt Regisseur Orr stets im Hintergrund und lässt die Figuren nie mit der Kamera interagieren. Es bleibt bei einer stillen Beobachtung der sozialen Verhältnisse dieser Familie.

    Diese stille Beobachtung zeigt schon zu Beginn des Filmes, dass David mit seinen Kindern nicht immer zurechtkommt. Eine der ersten Einstellungen offenbart somit seinen Kampf die Kinder am Morgen dazu zu bringen, sich für die Schule fertig zu machen. Er scheint ein wenig verloren zu sein in dieser Welt voller Anforderungen und Hindernissen. In einer weiteren Szene trifft er dann einen Freund, der ihm ein paar CD’s abkauft und da dieser gerade bei der Arbeit ist wirkt auch hier David völlig deplatziert und von der Hektik überfordert. Um ihn herum wird unter Akkord gearbeitet und er zieht sich lieber schutzsuchend in die Wohnung seiner Eltern zurück, um dort am Computer zu hängen und an seiner Musik zu feilen, die ihm hoffentlich bald zum Durchbruch verhilft.

    Oro ist dabei genauso verzweifelt wie sein Vater, aber nicht wegen der Arbeitswelt, sondern wegen seiner Hausübungen, die ihn so gar nicht interessieren. Wie sein Vater würde er viel lieber rappen und das kann er für sein Alter auch schon sehr gut. Nur ist die Frage ob er sich gegenwärtig nicht lieber auf die Schule konzentrieren sollte. Als die Kinder dann am Ende des Schuljahres mit den Zeugnissen nachhause kommen sieht David, dass Oros Leistungen stark nachgelassen haben und er hält ihm eine Standpauke, dass er endlich selbstständiger werden müsste und seine Hausübungen ernster nehmen sollte. Er zitiert dann auch noch Batman aus dem Film „The Dark Knight“ von Christopher Nolan und meint: Was wir tun zeigt wer wir sind. Und im selben Moment wird dem Zuschauer und vielleicht auch David klar, dass das auch auf ihn selbst zutrifft.

    „Niñato“ zeigt die sozialen Verhältnisse in dieser Familie ohne anzuklagen und schafft es auch diese aus objektiver Sicht darzustellen. Es ist ein stiller Dokumentarfilm, der aber bei dem einen oder anderen sicher länger nachwirken wird und auch generell zum nachdenken anregt, da David nicht die klassische Figur eines schlechten Vaters darstellt, sondern einen freundlichen und fürsorglichen Familienmenschen der einen Traum hat, der bis jetzt noch nicht in Erfüllung gegangen ist. Orr bildet also eine Geschichte ab, die überall und jeden passieren könnte und diese Schlichtheit macht den Film besonders.
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    (Daniel Pramberger)
    21.10.2017
    20:11 Uhr

Niñato

Spanien 2017
Regie: Adrián Orr