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  • Bewertung

    If you have time!

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Zeit, das ist der Grundgedanke der diesen Film trägt. Man nimmt sich die Zeit für diesen Film, oder nicht. Eine Bewohnerin sagt der Regisseurin beispielhaft dafür mal, sie würde ihr eine Geschichte erzählen, wenn sie denn Zeit hätte. Und genau das macht „Distant Constellation“ aus, die Frage nach der Zeit in unserer heutigen Gesellschaft. Dabei spiegelt sich die Zeit in vielen Einstellungen wieder. Wir sehen z.B. einem alten Mann dabei zu, wie er sekundenlang auf die Uhr schaut, da er die Ziffern ohne Lupe nicht mehr erkennen kann. Oder ein anderer Bewohner sieht sich Videotapes von sich selbst an und spult dabei nicht nur die Zeit am Bildschirm zurück, sondern auch die der Erzählebene. Plötzlich befinden wir uns nicht mehr nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit. Es ist wie ein Besuch bei den eigenen Großeltern, bei dem, wenn man sich darauf einlässt, man viel von ihnen lernen kann.

    Das Leben im Innern des Altersheims scheint die Vorgänge außerhalb umzukehren. Aus Fortschritt wird Verfall. Aus Anfängen werden Enden. Aus Schnelllebigkeit wird Stillstand. Auch der Drang unserer heutigen Gesellschaft stets zielgerichtet voran zukommen wird von zwei alten Männern, die in einem Lift minutenlang auf- und abfahren ad absurdum geführt. Sie sind ohne Ziel und finden aber gerade darin einen Teil ihres Lebensinhalts. Die Gespräche, die sie führen, wirken wie ihr Verhalten für Außenstehende grotesk und trivial. Trotzdem oder gerade deswegen bilden die Situationen und Dialoge aber eine gewisse Insel der Seligkeit, auf der nicht alles ständig einem größeren Nutzen oder strengeren und tieferen Sinn verhaftet sein muss.

    Während draußen also der Neubau in die Höhe wächst beugen sich die Köpfe, der Insassen des Altersheims, immer weiter zu Boden. Aus Langsamkeit wird Stillstand, Schlaf und schließlich auch Tod. Dieser Film, der sicherlich einige Längen hat, würde außerhalb eines Festivals niemals funktionieren, da wir heutzutage diese Langsamkeit nicht mehr gewohnt sind. Schnitte müssen schneller, Bilder imposanter und Geschichten dramatischer sein. All das hat dieser Film nicht zu bieten. Wer sich jedoch auf dieses Tempo einlässt kann nicht nur viel von diesen Menschen lernen, sondern womöglich auch mehr Zeit zurückgewinnen als man im Kinosaal verbracht hat. Es ist halt nur die Frage, ob man sich die Zeit nimmt.
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    (Daniel Pramberger)
    21.10.2017
    17:52 Uhr