Filmkritik zu Dagon

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  • Bewertung

    Schatten über Imboca - Lovecraft neu und spanisch interpretiert

    Eldritch Advice
    Brian Yuzna und Stuart Gordon galten lange Zeit als ein Traumpaar des fantastischen Films, insbesondere wenn es darum ging dem amerikanischen Horrorautor H.P. Lovecraft zu huldigen. Noch bevor der „Cthulhu Mythos“ ein fester Bestandteil der Populärkultur wurde, adaptierten sie manche seiner Werke in den 80er Jahre Kultfilmen „Re-Animator“ und „From Beyond – Aliens des Grauens“. 2001 entschlossen die beiden Freunde sich  mit dem Film „Dagon“ abermals ihrem Lieblingsschriftsteller zu widmen. Unterstützt von Yuznas spanischer Produktionsfirma „Fantastic Factory“, fiel die Wahl auf Lovecrafts wohl bekanntestes Werk: „Schatten über Innsmouth“. Da in Spanien gedreht wurde, wurde der fiktive Handlungsort des Buches „Innsmouth“ in das ebenso fiktive spanische Fischerdorf „Imboca“ verlegt.

    Nicht unweit der alten Heimat seiner Mutter genießt Paul Marsh einen Segelurlaub an der spanischen Küste zusammen mit seiner Freundin Barbara und zwei Bekannten. Ein kurzes Vergnügen, denn als ein sonderbar wirkender Sturm überraschend über sie hereinbricht und ihr Boot zum Kentern bringt, steckt eine ihrer Freundinnen im Boot fest. Sie bringen es nicht zustande sie zu befreien und das Boot füllt sich nach und nach mit Wasser. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt. Paul und Barbara nehmen ein Schlauchboot, um Hilfe im nahe gelegenen Fischerdorf Imboca zu finden. Obwohl die Einwohner dort unheimlich wirken, nehmen sie ihre Hilfe dankbar an. Dabei wird das Paar allerdings voneinander getrennt und Paul findet sich gegen Ende des Tages alleine in einem Hotel wieder. Dort überkommt ihn seine Müdigkeit und er träumt von einer unglaublich schönen Meerjungfrau, ein ihm wohlbekannter Traum der Paul seit Jahren verfolgt. Doch plötzlich verspürt er extremes Unbehagen und erwacht abrupt aus seinem Schlaf. Jemand oder etwas verfolgt ihn und er muss irgendwie aus diesem Hotel entkommen.

    Ich muss sagen … So adaptiert man Lovecraft.

    Trotz den vielen Änderungen zur literarischen Quelle wirkt die Welt von „Dagon“ immer noch so, als sei sie von H.P. Lovecraft selbst erschaffen worden. Die Atmosphäre in Imboca ist sowohl bedrohlich sowie befremdlich zugleich und Gordon gelingt es dem Publikum eben jene Gefühle zu vermitteln. Selbiges gilt für die praktischen Effekte. Über Jahrzehnte hinweg haben sich Gordon und Yuzna einen herausragenden Ruf  in diesem Metier erworben und dieser Film kündet eindrucksvoll davon. Leider lässt sich das nicht von den digitalen Effekten behaupten. CGI sollte es ermöglichen Wesenheiten aus dem „Cthulhu Mythos“ zum Leben zu erwecken, aber mit einem Budget von etwa vier Millionen Euro ließen sich in diesem Bereich keine großen Sprünge machen und das ist im Film klar ersichtlich. Hier sehen ihre Werke  aus den 80er Jahren, die vollends aus praktischen Effekten bestanden, wesentlich besser aus. Dennoch tut dies dem Ambiente keinen Abbruch. Dabei hilft auch der grandiose Score von Carles Cases. Die von ihm kreierten Klänge spiegeln jene Emotionen wider, die man beim Lesen einer Geschichte von H.P. Lovecraft verspürt.

    Da es sich um einen spanischen Film handelt, wurde primär auf heimische Schauspieler zurückgegriffen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Ezra Godden, der britische Hauptdarsteller des Films. Mit seiner Verpflichtung haben die Verantwortlichen eine gute Entscheidung getroffen, denn er entspricht perfekt dem Typus des lovecraftesken Protagonisten.  Lovecrafts Geschichten sind keine Heldensagen, sie handeln von Charakteren die mit unglaublichen Tatsachen konfrontiert dem Wahnsinn verfallen. Godden schafft es dies auf die Leinwand zu bringen. Übertroffen wird er jedoch von der talentierten spanischen Schauspielerin Macarena Gómez, die ihr Debüt in „Dagon“ feierte. Als Priesterin des gleichnamigen Meeresgottes wirkt ihr Schauspiel ebenso majestätisch wie auch bezaubernd. Sie hat ein natürliches Charisma, das die Qualität eines Films alleine durch ihre Präsenz verbessern kann und ist das klare Aushängeschild dieses Werkes. Ein weiteres erwähnenswertes Mitglied der Besetzung war Francisco Rabal, in seinem letzten Auftritt bevor er starb.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Ich war immer ein Fan von Gordons Stil den kosmischen Horror Lovecrafts von den Büchern auf die Leinwand zu transferieren, fand dabei seinen Humor allerdings höchst unpassend. Die Art und Weise wie er Komik in seine Horrorfilme einfließen ließ wirkte auf mich stets albern und ich fühlte mich dadurch eines gruseligen Erlebnisses beraubt. Glücklicherweise, stimmt in „Dagon“ das Verhältnis zwischen Humor und Horror und nimmt den Film dadurch nichts von seiner düsteren Grundstimmung. Damit trifft er in einer modernisierten und etwas abgeänderten Form auch die Essenz des Quellenwerkes.

    Dies zeigt sich besonders in der Verfolgungsjagd, die im Hotel beginnt und sich durch das ganze Fischerdorf ausweitet. Hierbei ist der Protagonist in einer scheinbar ausweglosen Situation auf sich alleine gestellt und muss sich mit allen Mitteln die ihm zur Verfügung stehen einem gesamten Dorf erwehren. Unterbrochen wird dieser rasante Mittelteil nur von einem Moment der Ruhe, in dem ein scheinbarer Verbündeter ihn über die Geschichte Imbocas aufklärt. Diese Szene ist für mich in seiner Präsentation das erzählerische Highlight dieses Films. Das alles macht „Dagon“ nicht bloß zu einer guten H.P. Lovecraft Adaption, sondern darüber hinaus ebenfalls eines freitäglichen Filmabends würdig.

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
    https://goo.gl/oYL4qZ
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    (Thorsten Schimpl)
    20.10.2017
    09:57 Uhr