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  • Bewertung

    Eine Frau allein am Salzamt

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    „Ein chinesischer Film am Sonntag Abend, sehr gut, sehr gut! Die Screenshots haben schon nach Jasmin geduftet, irgendwie. Aber uijegerl, Untertitel (logo)!, und ich meine Greisenbrillen vergessen... Naja, wird schon gehen.“

    Ging dann auch. Denn bei diesem Film, gibt es reichlich zu schauen und es ist halb so wild wenn man den einen oder anderen Absatz des Dialoganteils nicht mitbekommt. Am auffallendsten, das Bildformat: ein rundes Guckloch für die Szenen der heimatlichen Provinz, ein akkurates Quadrat für die Abschnitte in Peking, dem Moloch der chinesischen Bürokratie (und am Ende für den Epilog: glorreiches Breitbild.). Einer Geschichte solche formale Extravaganz umzuhängen kann ganz schön daneben gehen (Kann sich noch jemand an die nervige Split-Screen-Mode der 60er erinnern?). Aber hier passiert durch den ungewohnten Ausschnitt geradezu Magisches. Besonders das Rundbild erzeugt eine geradezu zeitlose Atmosphäre, als würde man durch eine Camera Obscura in ein historisches Gemälde schauen. Dabei ist die Szenerie alles andere als märchenhaft, Smartphones, Autoverkehr und andere Zeitzeichen erinnern laufend daran. Und doch erhält die Geschichte durch die formalen Extras etwas legendenhaft Allgemeingültiges. Die langsam, oft an der Handlung vorbeibewegte Kamera und die Umrahmung durch einen Erzähler aus dem Off tun ein Übriges.

    Inhaltlich könnte man zusammenfassen: „Wie Kafka, nur sympathischer.“ Es hat etwas Hinreißendes wie die gedemütigte Frau ohne Aussicht auf Erfolg einfach nicht und nicht aufgibt und etwas skurril Amüsantes wie sich die männerdominierte Delegiertengesellschaft an dieser Unbeugsamen die Zähne ausbeißt. Dass eine Volksgenossin nach erfolgtem Urteilspruch sich nicht fügt sondern wieder & wieder ihr Recht fordert ist im perfekt durchorganisierten Bürokratenreich nicht vorgesehen. Im Laufe von zehn Jahren bringt sie auf ihrem Weg reihenweise Deputierte & Beamte zu Fall und letztlich zittert sogar der allmächtige Volkskongress vor ihr.

    Und wer die Hartnäckige nach zwei Stunden Film noch immer nicht liebt, schluckt spätestens im Epilog („Einige Jahre später.“) vor Empathie, wenn sie die wahren Beweggründen für ihre Kampf gegen die amtlichen Windmühlen verrät.

    Ein poetischer Film der (vermutlich) gerade noch soviel Regimekritik zeigt wie im aktuellen China noch durchgeht und dabei eine berührende, bildschön gefilmte Geschichte erzählt.
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    (Michael Gegenhuber)
    24.10.2017
    11:24 Uhr