Filmkritik zu Teheran Tabu

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    Teheran Tabu

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Ein Auto fährt nachts durch verschneite Straßen, am Rande des Scheinwerferlichts lassen sich schemenhaft Menschen und Autos erkennen. Plötzlich steigt eine Frau mit ihrem Sohn ein. Der Sohn nimmt hinten Platz, die Frau vorne. Es wird kurz verhandelt dann beugt sich die Frau vornüber und beginnt den Fahrer oral zu befriedigen. Plötzlich sieht jener seine Tochter, Händchen haltend, mit einem jungen Mann. Der Fahrer ist außer sich vor Wut, eine Schande wäre das für die Familie. „Teheran Tabu “ von Ali Soozandeh beschäftigt sich mit dieser Doppelmoral in der Hauptstadt des Iran, Teheran.

    Die Geschichte handelt von mehreren Leuten und wie sie ihr Leben in Teheran bestreiten. Pari (Elmira Rafizadeh) sieht sich gezwungen als Prostituierte zu arbeiten, um ihren Sohn Elias (Bilal Yasar) zu versorgen. Ihr Mann ist ein Junkie, im Gefängnis, zahlt keinen Unterhalt und weigert sich die Scheidungspapiere zu unterschreiben. Ohne seine Unterschrift ist Pari machtlos. Ähnlich wie Sara (Zahra Amir Ebrahimi), die zwar ein schönes Zuhause hat und einen Ehemann mit Job, nur würde sie auch gerne arbeiten, was ihr Mann ihr jedoch nicht erlaubt. Donya (Negar Mona Alizadeh) hat zwar noch keinen Ehemann, jedoch ist sie verlobt. Nach einem One-Night-Stand mit dem Musikstudenten Babak (Arash Marandi) muss sie allerdings dafür sorgen, dass sie in der Hochzeitsnacht jungfräulich erscheint. Eine teure illegale Operation soll ihre Rettung sein.

    Das markanteste und auffälligste an „Teheran Tabu“ ist sein fast einzigartiger Stil. Der gesamte Film wurde mit Menschen gedreht und anschließend mit Motion Capturing und Rotoskopie animiert. Rotoskopie ist ein Verfahren in dem die einzelnen Bilder auf eine Mattglasscheibe projiziert werden damit dann ein Zeichner die Bilder abzeichnen kann. Dies führt zu einem faszinierenden Stil der der überspitze und abstrakte Realitäten abbildet.

    „Teheran Tabu“ beschäftigt sich gekonnt mit einer zweiseitigen Stadt. Imame und Richter die das Islamische Recht über alles stellen, vergnügen sich mit Prostituierten während ihre Ehefrauen außer Haus sind. In unterirdischen Räumen schmeißen Frauen ihre Kopftücher weg und tanzen freizügig zu westlicher Musik. In dieser Stadt ist es ein täglicher Hindernislauf, Verboten, Geboten und Vorschriften versucht man auszuweichen um zu überleben. Die Frauen sind gefangen in einem repressiven Patriachat, dass mit ihnen macht was es will und sie dann hilflos zurücklässt. Sitte und Zucht werden gepriesen, Sünde und Unzucht werden gelebt. Der Richter vergnügt sich während die Sittenwache einen Mann verhaftet, weil er im Park unverheiratet Händchen gehalten hat. Der Opa schaut Pornos und wenn der Schwiegersohn kommt wird schnell auf die Rede eines Ayatollah umgeschaltet. Für die Frauen in diesem System wird der Tabubruch zu einer Form der Selbstverwirklichung. Der Stil von „Teheran Tabu“ war eine ausgezeichnete Idee, da der zwischen Realitäten schwimmende Stil, perfekt die zwischen Realitäten schwimmende Stadt wiederspiegelt.

    Gleichzeitig ist der Stil aber auch das größte Problem des Filmes. Besonders in den Szenen, die Kamera und Schnitttechnisch, so aufgebaut sind wie normalerweise ein Spielfilm aufgebaut ist, sprich Close-ups, Schnitt-Gegenschnitt etc., merkt man deutlich die Grenzen dieser Technik. Wenn den Gesichtern viele Details, Falten, Ecken und Kanten fehlen und das nicht, wie in Animationsfilme von Disney und Co., durch übersteigerte Gesichtsausdrücke ausgeglichen wird, fehlt den Charakteren viel. Die Schauspieler sind durch die Bank hinweg großartig aber trotzdem merkt man, wie der Stil ihnen in vielen Momenten einiges geraubt hat. Auch ist es nach einer Zeit einfach anstrengend, wenn die Bilder wie in „Teheran Tabu “ sich nicht flüssig bewegen, sondern ständig kleine Bewegunssprünge haben.

    Es sind die Momente, in denen Soozandeh es schafft diesen Stil perfekt umzusetzen, in denen „Teheran Tabu“ überwältigend ist. Wenn Szeneübergänge klare beindruckende Aussagen haben, Emotionen über abstrakte Bildkompositionen vermittelt werden oder wenn die Bilder die Stimmung einer Menge einfangen, funktioniert der Film am besten. Soozandeh nimmt hier häufig Stilmittel herbei die wir aus Animes, zum Beispiel von Satoshi Kon, kennen und schafft es sie gekonnt mit der Realität zu verbinden.

    So oder so ist „Teheran Tabu“ ein beindruckendes und mutiges Werk das einige unvergessliche Bilder und Stimmungen hinterlässt.
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    (Daniel Prem)
    31.10.2017
    08:54 Uhr