Filmkritik zu Claire's Camera

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Fotos, die die Kraft besitzt Personen und Situationen zu verändern

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der koreanische Regisseur Hong Sangsoo wurde dieses Jahr mit ganzen drei neuen Spielfilmen in das Programm der Viennale aufgenommen. Nachdem „Geu-Hu“ („The Day After“) und „Bamui Haebyun-Eoseo Honja“ („On The Beach At Night Allone“) bereits gesichtet werden konnten, wurde nun auch der letzte im Bunde „Keul-Le-Eo-Ui Ka-Me-La“ – der englische Titel lautet „Claire’s Camera“ – auf der großen Leinwand des Gartenbaukinos in Wien vorgeführt.

    Im Vergleich zu den erstgenannten beiden Filmen, die jeweils über eineinhalb Stunden gingen (also eine durchschnittliche Spieldauer besitzen), erstreckt sich die Handlung von „Claire’s Camera“ lediglich über eine Erzählzeit von 69 Minuten. Dies hat jedoch nicht zu bedeuten, dass dem Publikum weniger geboten wird. Ganz im Gegenteil: „Claire’s Camera“ überrascht mit einer dichten Erzählung, die sich trotzdem die Zeit für stille Lücken innerhalb der Dialoge nicht nehmen lässt. Zudem gibt es mehreren Handlungssträngen, die liebevoll miteinander verflochten werden und sich letztendlich zusammenfügen. Auch die Hong Sangsoo typische non-lineare Erzählstruktur funktioniert hier deutlich besser und wirkt durchdachter, als beispielsweise in seinem Schwarzweißdrama „The Day After“.

    „Claire’s Camera“ spielt im französischen Cannes, während den berühmten Filmfestspielen, und zeichnet ein Bild der Stadt außerhalb des Roten Teppichs, den glamourösen Partys und dem enormen Menschenandrang. Vielmehr wird eine ruhige, einfache Stadt präsentiert, die nicht viel mit dem durch die Medien geprägten Image von Cannes während des populären Filmfestivals zu tun haben. Doch genau diese Darstellung eröffnet eine neue, unbekannte Perspektive auf die Stadt samt Festival, was den Film diesbezüglich sehr besonders macht.

    Wie in allen Filmen, die der Regisseur dieses Jahr herausgebracht hat, spielt die besonders in Südkorea etablierte Schauspielerin Kim Minhee, die nach Park Chan-Wooks „Die Taschendiebin“ aber auch dem westlichen Publikum ein Begriff sein dürfte, eine der Hauptrollen in „Claire’s Camera“. Die schöne Koreanerin und der verheiratete Hong Sangsoo verursachten letztes Jahr mit dem bekanntgeben ihrer Affäre einen mächtigen Medienrummel, was die Tatsache noch selbstironischer macht, dass Kim Minhee wieder mal eine Geliebte eines Filmregisseurs im Film verkörpert.

    Auch Isabelle Huppert als die aus Paris stammende Touristin Claire, die wie der Filmtitel verrät, stets mit ihrer Polaroidkamera unterwegs ist und alle für sie wichtigen Momente und Personen in ihren Fotos einfängt und diese, wie sie sagt, dadurch verändert, legt eine ungewohnte, ruhige Performance hin, wie man sie in ihrer Filmographie nur selten findet.

    Hong Sangsoo ist nicht nur Regisseur des Films, sondern auch der Verfasser des Drehbuchs. Wie sich im Publikumsgespräch mit einem seiner Kollegen herauskristallisiert hat auch ein ziemlich spontaner. Denn am Morgen jedes Drehtages schreibt Hong die Dialoge, die noch am selben Tag abgedreht werden, was zwar einige Wort- und Phrasenwiederholungen mit sich zieht, die dem Charme des Films allerdings in keiner Weise schaden, sondern diesen sogar mit ausmachen. Für mich war „Claire’s Camera“ definitiv sein gelungenster Film des Jahres.
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    (Susan Häußermann)
    04.11.2017
    23:27 Uhr