Filmkritik zu Shock Wave

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  • Bewertung

    Rot oder Gelb?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Es gibt wohl kaum eine Situation, die mehr nach Hollywoodklischees schreit, als die, der Bombenentschärfung, zwei Sekunden bevor sie detoniert. In dem Film „Shock Wave“, erfolgt jene mehr als einmal. Denn der Protagonist in Herman Yaus Hongkong Actionfilm, ist ein Spezialist für Bombenentschärfung.

    Eine Terroristengruppe besetzten den Cross-Harbour-Tunnel, der unter der Bucht von Hongkong verläuft. Sie nehmen hunderte Geiseln und drohen damit den gesamten Tunnel zu zerstören, wenn sie nicht eine stattliche Summe bekommen. Der Anführer der Gruppe, ist Blast (Jiang Wu), ein gesuchter Krimineller. Als er beginnt die komischen Forderungen zu stellen, dass er nur mit Cheung Choi-san (Andy Lau) spricht, wird klar, dass es hier auch um Rache geht. Spielchen werden getrieben, Forderungen gestellt und Bomben werden entschärft.

    „Shock Wave“ ist ein grundsolider Actionfilm, mit vielen der Schwächen, seiner westlichen Kollegen, aber auch mit einigen Qualitäten, die westlichen bzw. amerikanischen Actionfilmen fehlen. Die geteilten Probleme liegen in meist sehr schwachen Charakteren, die entweder krude definiert werden oder nur sehr einseitige Motivationen bekommen. Inhaltliche Voraussehbarkeit, generische Actionmusik, eine entführte Liebschaft und dramatische Slow Motion sind anscheinen Pflichtbestand eines Actionkrachers, egal ob im Osten oder im Westen.

    „Shock Wave“ glänzt dafür in den Momenten, in denen der charismatische Cheung Choi-san Sprengsätze sichert. Herman Yau weiß gekonnt diese Szenen spannend zu inszenieren und ihnen ein hohes Maß an Authentizität zu verleihen. Auch die Explosionen sind griffiger, dreckiger und echter als zum Beispiel jene von Michael Bay. Wenn hier Sachen explodieren dann sieht man die Schockwelle, intensive Farben und Zerstörung. Der Film benutzt auch immer wieder anderen Bombenszenarien und Bombentypen mit denen unser Protagonist fertig werden muss. Die entführte Liebschaft ist zwar wie gesagt ein Hollywoodklischee-Klassiker, wie Herman Yau es jedoch auflöst, ist kreativ und emotional. Hier kommen wir auch gleich zu einer anderen Stärke des Filmes. Auch wenn die Charaktere zum Teil sehr plump und grob gezeichnet sind, so erlaubt Yau es ihnen etwas zu fühlen und das zu zeigen. Ganz in der Tradition der Filme aus Hongkong und China, sind Emotionen hier laut, intensiv und bestehen aus großen Gesten. Wenn hier eine Gruppe von Zeugen etwas Schlimmes sieht, sind sie nicht einfach nur alle geschockt oder ängstlich, sondern sie weinen alle, um jemanden den sie nicht gekannt haben. Die Art in der diese Emotionen geäußert werden mag für Zuschauer, die primär westliche Filme konsumieren, zunächst befremdlich wirken, nach einer Zeit jedoch merkt man, was für eine Ehrlichkeit und was für ein Charm hinter diesem Schauspiel steckt. Eine Szene ist besonders zu betonen, die ich hier nicht vorwegnehmen kann, die jedoch höchst spannend und emotional inszeniert wurde.

    Eine weitere Stärke des Filmes ist es, dass selbst die generischen Actionszenen in denen sich zig Leute mit Gewehren belagern, formal um einiges besser umgesetzt werden, als bei uns im Westen. Klare Kameraführung, gute Choreographen und annehmbar schnelle Schnitte, sorgen dafür, dass man sich immer auskennt, einen Überblick hat und als Zuschauer nicht in einem Chaos untergeht.

    „Shock Wave“ ist kein Meisterwerk, im Gegenteil der Film hat unzählige Schwächen. Er hat aber auch eine große Menge Charme, handfeste Action, spannende Szenen und herzige Momente. Die Qualitäten des Filmes zeigen sich, wenn die letzte Bombe, entschärft werden muss und sie einen roten und einen gelben Draht hat. Welcher Draht richtig war und wie es ausgeht, verrate ich natürlich nicht, nur so viel: der gesamte Saal hat gespannt den Atem angehalten.
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    (Daniel Prem)
    30.10.2017
    10:20 Uhr