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  • Bewertung

    Autoroute du sud, letzte Abfahrt Teheran

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Preisbekränzt wie eine Kuh beim Almabtrieb kommt dieser erste Langfilm der schweizerisch/französisch/belgischen Regisseurin mit persischen Wurzeln daher. Gut, dass ich das erst im Nachhinein gesehen habe, denn eigentlich war er in meinem heurigen Viennale-Fahrplan der „Schau ma mal“-Kandidat ohne Erwartungen (man braucht ja auch Durchschnittliches & Rohrkrepierer für den Warteschlangentratsch).

    Ja und da sitzt man dann also, nachmittäglich entspannt & drageekeksigefüllt im Zweitwohnzimmer Urania, & diese drei iranischen Schmusekater kommen zur Tür herein. Erst wirken sie in ihrer fast plakativen Unterschiedlichkeit gecastet wie eine Boygroup zur Frage „Wo gehörst du hin?“: der gleichmütige Dicke, der in 2 Wochen freiwillig heimkehren wird (er hat's leicht: mit gezielter Völlerei hat er seine Leibesumfang zur militärischen Untauglichkeit aufgepimpt), der fesche westlich Orientierte, der sich pudelwohl fühlt im Abendland & hier sogar geheiratet hat und der unscheinbare Denker, der auch gern so sein würde, aber aus seiner stillen Haut nicht heraus kann.

    Dank einer zurückhaltenden Kamera und einer Regie ohne Spompanadln kann man den Figuren zusehen, wie sie – innerlich und gemeinsam im Gespräch – mit der Frage ringen, wo sie nun hingehören: ins liebgewonnene Europa oder in den Iran, das Land wo sie sich verwurzelt fühlen. Nur einmal mischt sich ein Autorenkommentar in die Erzählung, als der Autofahrt durchs südliche Frankreich, karge Landschaften & Wohnsilos in Nahost eingestreut werden.

    Als die Bubenrunde zwei jungen Musikerinnen begegnet & eine Weile mit ihnen durch den Sommer zieht, wird ihnen ein geradezu romantisches Idyll zuteil, das jedem „Ein Sommer wie damals“-Film aus den 80ern zur Ehre gereichte. Aber mit der anstehenden Lebensentscheidung ist trotzdem jeder der drei am Ende allein.

    Begeistert bin ich jedenfalls von der schauspielerischen Leistung. Noch selten hat man – heterosexuelle – Männer derartig authentisch und hinreißend miteinander agieren gesehen. Im Abspann kommt die Auflösung: sämtliche Protagonisten spielen sich offenbar selbst. Nichtsahnend hat man eine (quasi) Doku gesehen und auch die Nachlese in einem Interview der Filmemacherin bestätigt: keine vorgegebenen Dialoge oder Charaktere und nur zwei Wochen Drehzeit: der Dicke hat auch in Realität seinen Rückflug schon gebucht.

    Umso mehr wünscht man sich, dass das gezeigte Ende nicht gar so offen geblieben wäre. Es hätte mich schlicht interessiert wohin es jeden der drei künftig treibt. Aber Maryam Goormaghtigh hat offenbar vor, auch künftig mit den dreien zu arbeiten. Ich freu mich.
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    (Michael Gegenhuber)
    25.10.2017
    13:50 Uhr