Filmkritik zu Porto

Bilder: Polyfilm, MFA+ Fotos: Polyfilm, MFA+
  • Bewertung

    Ein Blick genügt...

    Exklusiv für Uncut
    Nostalgische Aufnahmen einer Stadt, eine kurze, aber dennoch innige Beziehung zweier Liebenden und gewöhnlich-ungewöhnliche Filmbilder sind zentrale Charakteristika von „Porto“, mit dem der brasilianische Regisseur Gabe Klinger 2016 sein Spielfilmdebüt feierte.

    Kann man eine Person wirklich von ganzem Herzen lieben, auch wenn einem diese vor wenigen Augenblicken noch komplett fremd war? Ein Zeuge dessen kann man werden, wenn man sich den in der gleichnamigen, portugiesischen Stadt spielenden Film „Porto“ anschaut, welcher den ein oder anderen Kinogänger wieder an die Liebe auf den ersten Blick glauben und hoffen lässt. Auch wenn dieses Phänomen nicht ausschließt, dass die intensive Liebe dann genauso schnell wieder aus dem Leben verschwindet wie sie einen zu Beginn überwältigt hatte.

    Eine unglaubliche Anziehung, die sich regelrecht als magisch bezeichnen lässt, verbindet und fesselt die beiden Protagonisten, die gegensätzlicher nicht sein könnten, ab dem ersten Blick. Der für sein Alter sehr vom Leben mitgenommen wirkende junge Amerikaner Jake, welcher von dem nur kurz nach Drehschluss verunglückten Schauspieler Anton Yechin verkörpert wird, und die etwas ältere, allerdings wesentlich vitaler wirkende Mati (Lucie Lucas) verbringen nur eine gemeinsame Nacht miteinander, die ihnen jedoch für immer im Gedächtnis bleiben wird.
    Die erste Szene ist mit der letzten identisch. Jake und Mati blicken sich im Bett gegenüber liegend verliebt in die Augen. Sie können ihre Blicke nicht voneinander lassen und somit bildet dieses Bild einen Rahmen für den ganzen Film. Was davor oder danach kommt ist so flüchtig wie der Augenblick selbst. Nähe, Geborgenheit und Glück sind nur einige der Gefühle, die die beiden zusammen auf Wolke Sieben schwebend miteinander erleben. Während sich Jake mit diversen Jobs, egal was kommt, über Wasser hält und sein tristes Leben vor sich her lebt, ist die schöne Mati dabei ihr Studium der klassischen Archäologie abzuschließen und plant bereits ihre Zukunft mit ihrem Professor, der ebenfalls ihr Lebensgefährte ist. Wie man später erfährt heiratet sie diesen eines Tages auch und bekommt mit ihm zusammen eine Tochter. Doch Matis Liebe des Lebens scheint der erfolgreiche Professor nicht gewesen zu sein, was in einer weiteren Szene, die zeigt, dass die beiden in Scheidung leben, verdeutlicht. Auch wenn Gable Klinger den Zuschauerinnen und Zuschauer genug Platz für Interpretationen einräumt, liegt zumindest ein ausschlaggebender Grund für das Scheitern der Ehe auf der Hand. Es ist jene unvergessliche Liebesnacht mit Jake, die so flüchtig, so besonders war.

    Die Story wird nicht linear auf drei Erzählebenen erzählt und fügt sich aus Erinnerungen, die fragmentarisch präsentiert werden, zusammen. Die Stadt Porto bietet einen urbanen Raum, in dem sich die Figuren bewegen und fungiert aufgrund seiner architektonischen Bauten und Gassen und der Art wie diese im Film inszeniert werden als passender Bedeutungsträger für die flüchtige, dramatische Liebesgeschichte.

    Bisher machte Klinger ausschließlich mit Dokumentationen auf sich aufmerksam und stürzt sich somit in für ihn noch unbekannte Tiefen der Filmkunst, was sich in seinem experimentierfreudigen Stil widerspiegelt. Neben einer bereits überdurchschnittlichen Anzahl von ausgewählten Formaten, genauer gesagt drei (Super 8, 16-, 35mm), strotzt sein Werk zudem vor filmischer Gestaltungsmittel, die teilweise ein bisschen zu willkürlich platziert wirken. Von zahlreichen Auf-, Ab- und Überblendungen über den spielerischen Umgang mit dem Kameraobjektiv, welche diverse Schärfewechsel mit sich bringen, serviert der Regisseur den Zuschauerinnen und Zuschauern sogar eine kleine Plansequenz. Auch wenn die Inszenierung an manchen Stellen dadurch ein bisschen zu sehr „gewollt“ wirkt, nimmt die Ästhetik des Films im Großen und Ganzen dadurch keinen Schaden. Denn ein genussvolles Seherlebnis sind die bewegten Bilder von „Porto“ auf der Leinwand allemal.
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    (Susan Häußermann)
    25.09.2017
    02:51 Uhr