Filmkritik zu First Reformed

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  • Bewertung

    Warum verzichten wir?

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der Film „First Reformed“ von Regisseur Paul Schrader erzählt von einem Geistlichen, der im Staat New York eine kleine Kirchengemeinde mit voller Hingabe betreut. Ernst Toller, gefühlvoll und eindringlich gespielt von Ethan Hawke, ist ein Priester der sich um alles und jeden kümmern will und dabei versucht so wenig Umstände wie möglich zu machen. Seine Wohnung ist puristisch eingerichtet; ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett sind so ziemlich alles was man in den langen und ruhigen Kameraeinstellungen erblickt. Auf diesem Tisch wiederrum stehen nicht viel mehr als eine Kerze, ein Tagebuch und eine Flasche Whiskey.

    Toller hat eine unterwürfige Wesensart. Die Kamera verstärkt diese Wirkung in dem sie die Szenerien vermehrt in einer Untersicht aufnimmt. Wenn jemand mit einem Anliegen zu ihm kommt springt er sofort und lässt sich voll und ganz auf denjenigen ein. Beinahe täglich muss er auf die schwierigen Fragen seiner Gottesdienstbesucher, die sich um die großen Fragen unserer Zeit drehen, einfache Antworten finden. Tag für Tag und Frage um Frage, die von seiner Kirchengemeinde auf seine Schultern abgeladen wird, schreibt er sich die Sorgen die auf ihn eindringen, in seiner kärglich eingerichteten, lediglich durch eine Kerze erleuchteten Wohnung, durch ein Tagebuch von der Seele und spült dann letztlich alles mit einem kräftigen Schluck Whiskey runter. Wie ein Märtyrer nimmt er die Quallen und Peinigungen auf sich und vergisst dabei auf sich selbst achtzugeben.

    Der Priester leidet mitunter daran, dass wir heutzutage nur die Symptome von großen Problemstellungen bearbeiten und nicht die Ursachen an sich. Jeder steckt in seinem einsamen, dunklen Kämmerchen und glaubt die Weisheit gepachtet zu haben. Jeder glaubt am Besten zu wissen was gut für die Gesellschaft ist und immer weniger versuchen diese extremen Positionen miteinander zu kommunizieren, um letztlich auf einen grünen Zweig zu kommen. Vor Leuten wie Ernst Toller, die zuhören, Sorgen und Quallen auf sich nehmen und versuchen einen Wandel herbeizuführen wird dann schlussendlich einfach die Türe verschlossen, da es einfacher ist diese Probleme nicht anzusprechen. Man schottet sich von diesen Personen ab und drängt diese dadurch selbst wieder in die Isolation und in der Folge in eine extreme Position.

    Wie Jesus in der Bibel scheint Toller vor einem Tempel zu stehen, indem statt Gebete Geschäfte betrieben werden. Es geht nicht mehr um die eigentliche Sache, sondern alles ist auf Geschäft und Reichweite ausgerichtet. Die Moral und der Anstand gehen dadurch verloren und Leute wie Toller scheinen am meisten darunter leiden zu müssen. Er wirkt dabei wie Sisyphos, von dem verlangt wird eine Aufgabe immer und immer wieder zu erledigen, obwohl er nicht für das Auftreten des Problems verantwortlich ist.

    Die Unterwürfigkeit des einfachen Mannes steht im Zentrum dieses Filmes. Auch die fehlende Kommunikation in Zeitalter der Kommunikation wird behandelt und das Auseinanderdriften der Gesellschaft in zwei immer weiter sich festigende extreme Blöcke. Eben jene Menschen wie Ernst Toller, die heutzutage noch versuchen verbindend zu wirken werden zwischen diesen beiden Blöcken entweder zerrieben oder müssen letztendlich ihre moralischen Vorstellungen begraben und sich einem der Blöcke zuwenden. „First Reformed“ wird getragen von der schauspielerischen Leistung von Ethan Hawke und der gepeinigten Figur des Priesters Ernst Toller. Diese Figur wird durch die Kameraeinstellungen und das Interieur wundervoll in Szene gesetzt. Ein Film der die Widersprüchlichkeiten und moralischen Auseinandersetzungen unserer Zeit anspricht die auch bzw. besonders vor den Türen der Kirche nicht anhalten.
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    (Daniel Pramberger)
    27.10.2018
    12:00 Uhr