Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Der Startschuss für den spanischen Horror-Boom der 70er Jahre

    Eldritch Advice
    Es gibt unzählige Mythen und Legenden die den Orden der Tempelritter umranken. Sei es der Fluch von Jacques de Molay, der Aberglaube rund um den Ursprung des Freitag, den 13., ihre angebliche Teufelsanbetung oder ähnliche Geschichten. Insgesamt hat sich seit dem Niedergang des Templerordens ein veritables Sammelsurium an Folklore angesammelt. Eine der weniger bekannten Legenden wurde angeblich dem spanischen Schriftsteller Gustavo Adolfo Bécquer weitergeben. Dieser adaptierte sie 1861 in seiner Kurzgeschichte „El monte de las ánimas“ und diese wiederum war die primäre Inspirationsquelle für Amando de Ossorio in seinen erfolgreichen 1972 erschienen Horrorfilm „La noche del terror ciego“ beziehungsweise auf deutsch „Die Nacht der reitenden Leichen“.

    Die junge Virginia genießt einen sonnigen Tag am Pool. Dort lacht ihr nicht nur die Sonne entgegen, sondern ebenfalls ein altbekanntes Gesicht, das ihrer Schulfreundin Bella. Während die beiden über vergangene Zeiten und Erlebnisse plaudern, werden sie von Roger, einem guten Freund von Virginia, unterbrochen. Bella hat es ihm sofort angetan und er lädt sie, ohne Rücksicht auf Virginia zu nehmen, zu ihrem gemeinsamen Urlaub mit ein. Auf dem Weg in das portugiesische Urlaubsziel, beginnt er offensichtlich mit Bella zu flirten, während sie versucht das Feuer der verbotenen Liebe aus vergangen Schulzeiten zu Virginia neu zu entflammen. Übermannt von diesen Gefühlen verlässt Virginia den Zug inmitten einer gottverlassenen Gegend. Dort findet sie Zuflucht in einer verfallenen mittelalterlichen Abtei. Eine folgenschwere Entscheidung, denn die Abtei war der Schauplatz der unheiligen Blutrituale des Templerordens. Für diese zum Tode verurteilt, hingerichtet und verflucht, entsteigen die geblendeten Templer des nächtens ihren Gräbern um sich am Blut der Lebenden zu laben.

    Ich muss sagen … dieser Film fasziniert mich

    45 Jahre nach seinem Erscheinen hat der Film samt seiner Effekte nichts an Atmosphäre verloren. Insbesondere die Ästhetik der untoten Templer zeugt von zeitloser Kunst. Das Fleisch fast bis aufs Gerippe verdorrt, in verrottenden Wappenröcken gekleidet … ein Anblick der in der Geschichte des Horrorfilms seinesgleichen sucht. Wenn die Nacht hereinbricht und sie, untermalt vom grandiosen subtilen und atmosphärischen Soundtrack von Antón García Abril, zum Unleben erwachen, eröffnet dies einen cineastischen Reigen, einen Totentanz. Ob zu Fuß oder hoch zu Ross, jeder Moment den wir mit den Templern in diesem Film verweilen, ist ein gewonnener Moment. Genießt man manche dieser Augenblicke jedoch zu aufmerksam, lassen sich Fehler erkennen. Insbesondere bei den Reitszenen fällt es hin und wieder auf, dass die Kostüme den Reitern alles abverlangt haben, und da lässt sich auch schon einmal eine unverweste Hand an den Zügeln erkennen. Fehler wie diese gehören zu den Horrorfilmen dieser Zeit allerdings dazu und tun dem Schrecken der reitenden Leichen keinen Abbruch.

    Regisseur Amando de Ossorio vermochte es eine passende Besetzung zusammenzustellen. Wenngleich dieser Film auch das Highlight in der Biographie des Gros der Mitwirkenden bildet. Auffallend ist in erster Linie die liebliche Lone Fleming in ihrer Rolle als Bella. Sie schafft es den Horror des Erlebten glaubhaft zu verkaufen. Eine der unbekannteren, aber würdigen „Scream Queens“ dieses Genres. Leider gibt der recht dünne Plot nicht sehr viel her mit dem sich wirklich arbeiten lässt. So hat die Geschichte mancher Charaktere nur eine unbefriedigende Konklusion. Über den Dialog des Films möchte ich kein Wort verlieren. Ich bin nicht des Spanischen mächtig und griff daher zur deutschen Version. Diese klingt nicht nur amateurhaft, sondern kommt in der ungeschnittenen Fassung auch noch mit verschiedenen Synchronsprechern für die selben Rollen daher.

    Ist dieser Film eines freitäglichen Filmabends würdig?

    Obwohl sich das Genre seit den 70er Jahren verändert hat, kann die Darstellung des Horrors in diesem Werk nach wie vor überzeugen, in anderen Teilen des Films ist dies jedoch nicht der Fall. Insbesondere die Darstellung der Frauen ist gelinde gesagt von zweifelhafter Natur und dabei bin ich noch nicht einmal auf eine vollkommen unnütze Vergewaltigungsszene eingegangen. Diese hat nicht nur nichts mit dem Plot zu tun, sondern wird darüber hinaus nach der Tat nie wieder adressiert. Ferner scheitert der Film daran klare Regeln für die reitenden Leichen aufzustellen. Ich bin ja soweit, dass ich in einem Film der von untoten Templern handelt es nicht hinterfrage, dass sie blind und daher auf ihr Gehör angewiesen sind. Ebenso akzeptiere ich es voll und ganz, dass die untoten Pferde auf denen sie Reiten zwar in verrottete Schabracken gehüllt sind, aber es sich immer noch erkennen lässt, dass sich darunter lebende Pferde befinden. Allerdings dulde ich es nicht, dass eine lebende Person ein untotes Pferd stiehlt und es erfolgreich reitet.

    Ein weiterer Kritikpunkt ist eine vollkommen sinnlose Nebenhandlung um einen Zombie. Wohl eine Hommage Ossorios an sein Vorbild George A. Romero. Nichtsdestotrotz handelt es sich hierbei immer noch um einen tollen Film. Ungeduldige Gemüter könnten sich zwar daran stören, dass dieses Werk in seinen 96 Minuten über eine sehr gemächliche Erzählstruktur verfügt, ich betrachte dies allerdings als eine seiner Stärken. Es ist das richtige Tempo um die Bedrohung der reitenden Leichen zu visualisieren. Schließlich entspringt der Schrecken den sie Verbreiten nicht bloß aus ihrem untoten Dasein, sondern aus der Tatsache, dass sie zwar langsam sind, aber es trotzdem kein Entrinnen vor ihnen gibt. Was mich an diesem Film am meisten fasziniert ist der Mythos der ihn umgibt. Verfluchte untote Tempelritter, die nachts aus ihrem Gräbern steigen, einen ganzen Landstrich in Angst und Schrecken versetzen und ihre Opfer blutleer schlürfen … davon kann ich nie und nimmer genug bekommen. „Die Nacht der reitenden Leichen“ ist für mich nicht nur ein einzigartiges Phänomen in der Geschichte des Horrorfilms, sondern zudem aufgrund seiner nahezu makellosen Ästhetik, der spannenden Hintergrundgeschichte sowie des gruseligen Soundtracks eines freitäglichen Filmabends würdig!

    Habt ihr Interesse an Horror und Trashfilmen sowie anderer cineastischer Kleinodien, empfehle ich euch meinen englischsprachigen YouTube Channel zu besuchen. Dort bespreche ich mindestens einmal wöchentlich ein Filmjuwel aus meiner Sammlung:
    https://goo.gl/oYL4qZ
    screenshot_20230313_084016_instagram_41406a0cb9.jpg
    (Thorsten Schimpl)
    04.08.2017
    16:10 Uhr