Bilder: Constantin Film, Studio Canal Fotos: Constantin Film, Studio Canal
  • Bewertung

    Schloss aus (zerbrechlichem) Glas

    Exklusiv für Uncut
    Intelligent, kreativ und liebevoll sind alles Adjektive mit denen man Rex Walls beschreiben kann. Alkoholabhängig, unverlässlich und seelisch gebrochen aber leider auch. Dementsprechend konfliktreich gestaltete sich das Leben von Jeannette Walls, die ihre Kindheit in dem Werk „The Glas Castle“ veröffentlichte.

    Ihr Vater Rex reiste, als Freigeist und Wohnzimmerrevolutionär, gemeinsam mit seiner Familie durch Amerika. Wann immer er wieder seinen Job verlor oder es sich mit den örtlichen Behörden, sei es Jugendamt oder Polizei, verscherzte, flüchtete die Familie in ihren Wagen und zog weiter. Den Stress und die Tatsache, dass die Kinder oft nicht genug zu essen hatten, versuchte Rex mit ungeheuer viel Liebe und Kreativität zu überdecken. So schenkte er seinen Kindern keine Spielsachen, sondern einen Stern. Doch beginnend mit der ältesten Tochter merkten nach und nach alle, dass ihr Vater ein gebrochener Mann ist, der selten einem Wort eine Tat folgen lassen kann und das versprochene Schloss aus Glas wohl nie errichten wird.

    Erzählt wird das Familiendrama auf mehreren Zeitebenen, die sich abwechseln und gegenseitig ergänzen oder in einen Kontext stellen. Destin Daniel Cretton konzentriert sich in seiner Inszenierung vor allem auf die Beziehung zwischen Jeannette und ihrem Vater, was dazu führt, dass die restliche Familie zeitweise etwas untergeht. Ein Umstand der verzeihbar ist, da diese Beziehung mehr als genug Zeit benötigt und es eindeutig die klügste Entscheidung war sich auf diese zwei Leben zu fokussieren.

    Nach Affen und Tributen ist es wundervoll wieder zu sehen, was für ein begnadeter Schauspieler Woody Harrelson ist, der jede Szene an sich reißt und den ganzen Film über fasziniert. Brie Larson zeigt sich ebenfalls wieder von ihrer besten Seite. Sie zeigt zwar keine Meisterleistung wie in „Room“, aber sie holt alles aus der Rolle heraus und beweist, dass sie in Riesenaffenfilmen eher vergeudetes Talent ist. Naomi Watts spielt, überraschend unsympathisch aber gewohnt gut, die egozentrische Künstlermutter. Sie liebt zwar ihre Kinder ohne Zweifel, ist aber nicht in der Lage sich von Rex zu trennen und ihre Kinder vor dem Leben, das er ihnen aufzwingt, zu schützen. Hervorheben muss man auf jeden Fall die talentierten JungdarstellerInnen, allen voran Chandler Head und Ella Anderson, die Jeannette im Alter von 6 und 10 Jahren porträtieren. Die beiden bieten eine überzeugende und ergreifende Darstellung und harmonieren vor allem mit Harrelson unglaublich gut.

    Cretton schafft es in vielen Szenen eine ehrliche und authentisch wirkende Geschichte zu erzählen, fällt jedoch leider oft in den Kitsch hinein, wodurch vielen Momenten die ernsthaften Gefühle entnommen werden. Aufgrund von einer gewöhnlichen und uninteressanten musikalischen Untermalung wird der genannte Kitsch verstärkt. Dies fällt besonders auf, da diejenigen Szenen, welche sich in absoluter Stille abspielen, die besten sind. Wenn Harrelson und Anderson bei flackerndem Licht reden und die Tochter den Vater bittet mit dem Trinken aufzuhören, geht der Film unter die Haut. Cretton schafft es auch geschickt über den Film verteilt Hinweise zu hinterlassen, die erklären warum Rex Walls so ein gebrochener Mann ist. Manche der Hinweise sind subtil, manch andere hingegen sind eher krude, schnelle Psychologisierungen, die offensichtlich dem Vatermonster Menschlichkeit und Gründe für sein Verhalten geben sollen. Dies wirkt, angesichts der Komplexität der Themen, übereilt und beeinflusst die Stimmung des gesamten Filmes.

    Der Kameramann Brett Pawlak erzeugt zwar stimmungsvolle und authentische Bilder, lässt jedoch über weite Strecken einen eigenen Stil und mutigere Bilder vermissen. So kommt das Gezeigte nie über eine gewohnte Bildsprache hinaus und speziell die Dialoge werden in einem ewigen Wechsel zwischen Close-Ups redundant.

    „Schloss aus Glas“ ist eine spannende und teils berührende Geschichte, die von einem grandiosen Cast lebt und getragen wird. Sie verliert sich aber in generischen Bildern und Szenen, die dem Film viel Authentizität nehmen. So berührt das Werk vor allem in der Mitte, wird aber gegen Ende immer vorhersehbarer und entschließt sich zu einem kitschigen Abschluss. Dies ist sehr schade, denn in den stillen Momenten in denen sich Cretton mehr traut und sich auf seine Schauspieler verlässt entfalten sich berührende Momente.
    danyboy_b9499be49d.jpg
    (Daniel Prem)
    25.09.2017
    00:13 Uhr