Filmkritik zu Good Time

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  • Bewertung

    Gewalt aus Liebe

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Wenn Schauspieler von heute auf morgen berühmt werden, heißt das für die Mimen nicht immer etwas Gutes. Oft bleibt die berühmt machende Rolle an ihnen haften und sie finden nur schwer eine andere Rolle. So war es für Robert Pattinson und Kristen Stewart besonders schwer nach ihrem „Twilight-Fame“ als facettenreiche Schauspieler Fuß zu fassen. Glücklicherweise schafften es beide und zeigten der Welt, dass sie so viel mehr als Glitzervampire verkörpern können. Letzte Viennale konnte man Kristen Stewart in „Personal Shopper“ bewundern, bei der diesjährigen Viennale hatte ich die Chance mich von Robert Pattinsons Können zu überzeugen. In dem Kriminalfilm „Good Time“ des Regieduos Benny und Josh Safdie, zeigt er zu welchen Grausamkeiten ein Mensch bereit ist, um jene zu retten die er liebt.

    Nick Nikas (Benny Safdie) ist geistig beeinträchtigt, er tut sich schwer seinen Zorn zu kontrollieren und kann nur schwer die Folgen seines Handelns in einem sozialen Kontext erkenne. Sein Bruder Connie (Robert Pattinson) holt Nick aus einer Therapiesitzung heraus und plant mit ihm einen Banküberfall. Keiner der beiden hat besonders viel Ahnung, wie sich die Bank in solchen Situationen verhält und es geht schief. Nick wird verhaftet, Connie kann entkommen. Voller Schuldgefühlen und Angst um seinen Bruder, im Wissen das Nick mit den Situationen im Gefängnis nicht klarkommen wird, versucht Connie irgendwie 10.000 Dollar für die Kaution aufzutreiben. „Good Times“ beschäftigt sich mit der Nacht, in der Connie versucht alles zu richten, was er angefangen hat.

    „Good Time“ ist ein rauer, dreckiger aber vor allem authentischer Genrefilm, der in Robert Pattinson einen fantastischen Hauptdarsteller gefunden hat. Er schafft es, die Liebe zu seinem Bruder auf sehr eigene Weise zu transportieren. In seiner Wut, seine Reaktion und seiner Bereitschaft bis zum Äußersten zu gehen, zeigen sich seine tiefen Gefühle für seinen Bruder. Gekonnt zeigt Pattinson aber auch die Ambivalenz dieser Gefühle, die irgendwo zwischen ehrlicher Liebe und Egoismus schwingen. Die Frage was man alles für jemanden anderen macht, wenn man es eigentlich für sich selbst macht, zwingt sich Connie gezwungener Maßen, auf seiner Reise auf. Pattinson spielt mit einer bemerkenswerten Präsenz, die den gesamten Film anhält. Besonders dann, wenn erschreckend brutal und grausam gegenüber anderen Menschen ist. Antagonisten gibt es hier keine, nur die Charaktere an sich, die nicht merken wie sehr sie sich selbst im Weg stehen.

    Der Kameramann, Sean Price Williams, filmte in 35-mm-Scope, wobei er Szenen mit einer Mischung aus Tages,-und Kunstlicht einleuchtete. Die durch teils geringe Beleuchtung entstandene, recht grobe Körnung des Analogenfilms, kombiniert mit dem Mischlicht (ein Licht das man in den meisten Fällen versucht zu vermeiden), ergeben dreckige und grobe Bilder. An einigen Stellen gibt es nur eine Lichtquelle, wie einen Fernseher oder das rote Licht einer Lampe. Dann bewegte Williams die Kamera schnell aber deutlich, zusammen mit dem zügigen und impulsiven Schnitt von Ronald Bronstein ergibt sich ein mit Leben und Energie vibrierender Film, der immer an der Kippe steht, ins Chaos zu stürzen.

    Die Charaktere in „Good Time“ haben alle eines gemeinsam, ein tragikomisches Schicksal, das sie über den Lauf dieses Filmes verbindet. Der Film macht es uns auch nicht leicht, diese Persönlichkeiten zu mögen. Diese Art von wirklichen Antihelden sind selten geworden und zeugen von mutigen Filmemachern. Josh und Benny Safdie schaffen es diesen Charakteren und ihren, zum großen Teil selbsteingebrockten Schicksalen, tiefe Empathie entgegen zu bringen, ohne jemals zu vergessen, dass es am Ende eben sie waren, die die Schuld tragen. „Good Times“ ist ein rasch inszenierter Fiebertraum, der gerade in seiner formalen Überspitzung große Authentizität findet. Der Film lässt einen beklommen im Saal zurück und seine Bilder werden noch Wochen später in den Köpfen der Zuschauer aufblitzen, wenn sie zu ihrem Burger eine Flasche Sprite bestellen.
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    (Daniel Prem)
    04.11.2017
    18:28 Uhr