Filmkritik zu Casting

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  • Bewertung

    Ein Film übers Filmemachen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Gerade auf einem Filmfestival, wo man einen Film nach dem anderen konsumiert, ist ein Film wie „Casting“ sehr interessant, der uns versucht zu zeigen, was hinter der Kamera so passiert. Nicolas Wackerbarths bissige Komödie zeigt uns, wie es ist auf der Seite des Produktionsteams zu stehen und vermiest uns mit seiner satirischen Ehrlichkeit über das filmische Schaffen jeden weiteren Film, macht aber diesen hier zu einem wahren Vergnügen.

    „Casting“ präsentiert uns schon eine lächerliche Ausgangssituation. Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ soll ein Fernsehfilm-Remake bekommen. Damit bekommt die Filmbranche schon den ersten Seitenhieb verpasst. Es werden heutzutage viel zu viele überflüssige Filme gedreht, das Kino- und Fernsehprogramm strotzt nicht gerade vor Originalität. Wackerbarth macht deutlich klar, die Welt braucht kein Fassbinder-Remake. Trotzdem macht er genau dieses zum Zentrum der Filmhandlung.

    Die für diesen seichten Fernsehfilm viel zu ambitionierte Regisseurin Vera sucht nach der perfekten Besetzung für die weibliche Hauptrolle. Vera ist das absolute Klischee einer Regisseurin. Eine starke Frau mit einer großen Vision, der sich die Produktionsfirma in den Weg stellt. Auch die Schauspielerinnen, die zum Vorsprechen für die zu besetzende Rolle kommen, strotzen vor Klischeehaftigkeit: die in die Jahre gekommene Aktrice, das blonde Sternchen und gleichzeitiger Produzenten-Liebling (toll gespielt von Andrea Sawatzki) und die ambitionierte Schauspielerin.

    Inmitten all dieser Frauen sitzt ein Hahn im Korb, auch er ein typischer Kerl, der in der Filmbranche alles andere als vom Aussterben bedroht ist. Andreas Lust spielt Gerwin, einen kleinen Schauspieler, der groß rauskommen will. Eigentlich wurde er nur als Ansprechpartner für das Casting gebucht, um die Dialoge mit den Schauspielerinnen zu sprechen. Doch als die männliche Hauptrolle absagt, wittert er seine Chance und hofft auf seine 15 Minuten Ruhm.

    „Casting“ ist eine frische, böse und aberwitzige Komödie über Ambitionen und Enttäuschungen, die mit der Film- und Fernsehbranche abrechnet. Das wunderbare Drehbuch strotzt nur so vor cleveren Dialogen, stellt seine Figuren in ein spannendes Macht- und Abhängigkeitsverhältnis zueinander, lässt viel aufgestaute Wut pointiert raus und füllte von Anfang bis Ende einen ganzen Kinosaal mit Gelächter. Ironischerweise ist „Casting“ jedoch selbst nur ein Fernsehfilm, der nur auf der Berlinale Kinoluft schnuppern durfte. Trotzdem ganz großes Kino!
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    (Marina Ortner)
    16.05.2017
    23:10 Uhr
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