Filmkritik zu Tiger Girl

Bilder: Constantin Film Fotos: Constantin Film
  • Bewertung

    Akzeptiert keine Nettigkeit aus sozialer Faulheit

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Jakob Lass hatte 2013 mit „Love Steaks“ zum ersten Mal versucht, das neue, deutsche Kino zu revolutionieren. Als Instrument dazu diente das FOGMA-Manifest, ein eigens von Lass entworfenes Regelwerk, nach welchen Prämissen seine Filme gedreht werden sollen. Die Idee ein solches Regelwerk zu verfassen ist wohl inspiriert von „Dogma 95“, einem Manifest, das von dänischen Regisseuren, wie Lars von Trier oder Thomas Vinterberg unterzeichnet wurde. Das Herzstück des FOGMA-Manifests ist Freiheit. Und die bringt frischen Wind in das deutsche Kino, ist sie doch fast eine Kampfansage an eben dieses. Jakob Lass’ zweiter Spielfilm „Tiger Girl“ führt die FOGMA Tradition fort und ist ebenso schnell und frech wie sein Vorgänger, aber manch einer könnte im Publikum sitzen, der nicht cool genug ist für diesen Film - ich zum Beispiel.

    Der Film handelt von Margarete, einem langweilig dargestellten Blondchen, die ihren Kopf nicht wirklich durchsetzen kann und Polizistin werden will. Und dann ist da Tiger, das komplette Gegenteil. Sie ist quasi ein Outlaw und folgt keinem der Gesetzte, die Margarete später einmal beruflich hüten will. Zwei konträre Charaktere gegenüberzustellen ist ein Konzept das seit jeher gut auf der Leinwand funktioniert. Freunde werden die zwei nachdem sie ein paar üble Boys in der U-Bahn-Station verprügeln, die Margarete bedrängt haben.

    Tiger wohnt in einem Wohnwagen, ist in einer Beziehung mit zwei Jungs, die Drogen verticken und prügelt sich gern – nicht gerade der Stoff, aus dem gute Vorbilder gemacht sind. Maggie dagegen weiß, was sie im Leben erreichen will, ist fleißig und ist trotz Rückschlägen weiterhin determiniert ihren Traum, Polizistin zu werden, wahrzumachen – eigentlich genau der Stoff, aus dem gute Vorbilder sind. Trotzdem schlüpft Tiger in die Rolle der Lehrerin fürs Leben und erteilt Margarete (die ab jetzt, wo sie cool ist, Vanilla heißt) eine Lektion nach der anderen. Mehr Spaß, weniger Rücksicht. Mehr Gewalt, weniger Höflichkeit, obwohl Tiger im Film sagt „auch Höflichkeit ist eine Art der Gewalt - eine Gewalt gegen sich selbst“. Der Film greift die Regeln an, auf denen unsere Gesellschaft besteht und ersetzt sie durch die FOGMA-Regeln, weil die eben cooler sind. Vanillas Charakter treibt die too-cool-for-school-attitude in neue Extreme, was durchaus unterhaltsam anzusehen ist, jedoch zieht der Film für mich am Ende kein befriedigendes Resümee daraus. „Böse Mädchen haben mehr Spaß“ ist für mich keine Message, mit der allein ich gern aus dem Kinosaal entlassen werde.

    Schlecht macht das den Film zwar nicht, den hohen Unterhaltungswert kann ich „Tiger Girl“ nicht absprechen. Die Performances waren durchaus gelungen (besonders Robert Gwisdek als Ohrfeigen-Mann), vor allem wenn man bedenkt, dass alle Dialoge des Films improvisiert sind und schön gemacht ist der Film auch. Die schnellen Schnitte tragen viel zum Tempo des Films bei und auch das Licht gefällt mir gut (die meisten Szenen des Films spielen nachts). „Tiger Girl“ hat auf jeden Fall seine goldenen Momente, jedoch bleibt die Moral der Geschichte am Ende doch mehr als fraglich.
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    (Marina Ortner)
    15.02.2017
    08:55 Uhr
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