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  • Bewertung

    Ein schiefgegangener Urlaubsflirt in Berlin

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Teresa Palmer spielt in diesem Thriller der australischen Regisseurin Cate Shortland eine Backpackerin in Berlin. Die Studentin Clare ist der Innbegriff von Freiheit: jung und meilenweit weg von zuhause. Doch diese Freiheit wird ihr genommen. Denn nach einem One-Night-Stand kann sie die Wohnung des Berliners, mit dem sie die Nacht verbracht hat, nicht mehr verlassen.

    Während Disneys „Die Schöne und das Biest“ aus dieser Thematik ein romantisches Musical zaubert, wählt Cate Shortland den konventionelleren Weg und macht einen spannenden Psycho-Thriller daraus. Doch bevor Teresa Palmer in einen sonst unbewohnten Berliner Altbau eingesperrt wird, lässt sich der Film recht viel Zeit, uns die Protagonistin vorzustellen und sowohl ihr als auch dem Publikum eine Stadtführung durch Berlin zu geben. Berlin als Setting für einen internationalen Film zu sehen ist eine schöne Abwechslung. Es ist Shortland auch wunderbar gelungen das junge, vibrierende Berlin zu portraitieren, das eben so viele Backpacker aus aller Welt anzieht. Anstatt einem typischen Touristenprogramm wird durch Kreuzberg spaziert, anstatt Selfies mit dem Fernsehturm im Hintergrund gibt es analoge Fotos von DDR-Bauten und eine Berliner Clubnacht darf auch nicht fehlen.

    Doch nach eben dieser Clubnacht sehen weder wir noch Teresa Palmer viel von Berlin. Die einzige Sicht die bleibt, ist die aus einem Fenster, das in einen verlassenen Innenhof schaut. Aus einer Berliner Romanze zwischen einer Backpackerin und einem Lehrer wird eine packende Gefangensituation zwischen einer Studentin und einem Psychopaten.

    Nach anfänglichen Fluchtversuchen verliert Palmers Charakter Clare jegliche Hoffnung und entwickelt eine Art Stockholm-Syndrom (oder wenn es nach dem Filmtitel geht ein Berlin-Syndrom). Als Überlebensstrategie und aus ihrer eigenen Einsamkeit als Gefangene heraus, lässt sie sich auf ihren Entführer und dessen Forderungen ein, etwa wenn sie in Reizunterwäsche für ihn posiert. In solchen Szenen präsentiert sich Shortlands Film mehr als bedrückendes Drama anstatt dem Thriller-Genre treu zu bleiben.

    Während Clare eine Art Mitleid für ihren Entführer entwickelt, macht sich im Publikum Mitleid für die Studentin breit. Man wünscht dem Mädchen wirklich sehnlichst die Freiheit zurück. Der Grund dafür ist vor allem Teresa Palmers Schauspielkunst. Die Verzweiflung, die Einsamkeit, das Verrückt-Werden – alles steht in Palmers Gesicht geschrieben, das uns durch den ganzen Film führt.

    Ein wirklich gelungener, spannender Thriller, der sich aber – untypisch für sein Genre – sehr viel Zeit lässt und ungewöhnlich langsam erzählt. Damit erzielt er aber sehr viel Nähe zu den Protagonisten. Zusätzlich gibt es noch eine wunderbare Teresa Palmer, schöne Bilder, interessantes Licht und einen Hauch Berliner Charme.
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    (Marina Ortner)
    30.04.2017
    23:29 Uhr
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