Filmkritik zu From the Balcony

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  • Bewertung

    Die kleinen und großen Fragen der Menschheit

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Der norwegische Regissuer Ole Giæver war schon 2015 mit „Out of Nature“ zu Gast auf der Berlinale. Unverhofft wurde die unkonventionelle Komödie einer meiner Lieblinge auf dem Festival. Mit seinem Film über einen Familienvater, der gelangweilt von seinem eigenen Leben die Freiheit in der Natur sucht, joggte sich Giæver mit blanken Hintern in die Herzen des Publikums. Dementsprechend war die Freude groß, Ole Giæver mit und in seinem neuen Film „Fra Balkongen“ zwei Jahre später auf dem gleichen Festival wiederzusehen. Auch diesmal handelt sein Film von einem etwas von sich selbst gelangweilten Familienvater. Doch diesmal spielt Giæver diesen Vater nicht nur, er ist es auch.

    Zwar lief „Fra Balkongen“ nicht als Dokumentarfilm auf der Berlinale, aber Spielfilm ist definitiv auch keiner. Der Film ist eine experimentelle Collage aus alten und neuen Home-Videos – im Mittelpunkt steht Ole selbst. Doch nicht nur im Mittelpunkt des Films, sondern auch im Mittelpunkt der Welt. Er steht auf seinem Balkon und während er die Welt um sich beobachtet, bricht ein Bewusstseinstrom aus ihm heraus. Er erzählt uns seine Gedanken und wirft dabei Fragen auf – die kleinen und die großen Fragen der Menschheit. Wer bin ich? Was bedeutet Familie? Was ist Zeit? Was ist der Tod? Die Fragen sind teilweise sehr banal und deren Beantwortung etwas langatmig.

    Zwischendurch lässt Giævers das Philosophieren sein und macht einen auf selbstironischen Witzbold. Damit hat er auch schon bei „Out of Nature“ bestochen. Leider kommt der Humor diesmal etwas zu kurz. Man verliert sich etwas in den vielen Gedankenströmen von Ole, die zwar interessant sind, aber kein klares Ziel haben. All die Heimvideos in VHS-Qualität ergeben aber eine interessante Collage, die uns zwar nicht die großen Fragen der Menschheit beantwortet, aber uns recht intime Einblicke in die Gedankenwelt des Mannes gewährt, der sie zu beantworten versucht. Bei aller Sympathie, die man dabei für Ole Giæver empfindet, schafft er es nicht ganz, uns dauerhaft zu fesseln. Stellenweise war es für mich eher einschläfernd. Erst als im Abspann die ersten Takte von Modern Talkings „You’re my heart, you’re my soul“ erklangen, hatte der Film wieder meine ganze Aufmerksamkeit.
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    (Marina Ortner)
    08.03.2017
    21:52 Uhr
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