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  • Bewertung

    Hadern mit dem Schicksal

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    „Es gibt nur zwei Dinge, die im Leben zählen: die Dinge, die wir bereuen, getan zu haben, und die Dinge, die wir bereuen, nicht getan zu haben“, zitiert der Schriftsteller Max Zorn seinen Vater zu Beginn des Films. Ein Mantra, der nicht nur der Auftakt, sondern auch das zentrale Thema des Films ist. Ein in die Jahre gekommener Schriftsteller kehrt an den Ort seiner frühen Schaffensjahre, New York, zurück, und versucht wieder bei seiner alten großen Liebe Anschluss zu finden. Jene Liebe, die er hatte ziehen lassen, und von der er noch immer glaubt, sie wäre das wahre Glück in seinem Leben gewesen.

    Schlöndorff ist kein unbeschriebenes Blatt, was die Adaption von Max Frisch betrifft. Bereits Anfang der 90er adaptierte er den Roman „Homo Faber“ des Schweizer Autors. Das Buch „Montauk“ nimmt jedoch eine Sonderstellung in seinem literarischen Werk ein. Die Geschichte handelt vom Autor selbst, und wie er 1974 mit einer jungen Frau ein paar Tage an der amerikanischen Ostküste verbrachte. Schlöndorff adaptierte das Ausgangsmaterial zu einer fiktiven Geschichte rund um die Figur des Max Zorn, mit viel Melancholie dargestellt von Stellan Skarsgard. Die Entwicklungen, die Max durchläuft, beruhen aber nicht nur auf Frischs Ideen. Auch Schlöndorffs Biographie hat dem Film seinen Stempel aufgedrückt. In seinem Leben gab es auch jene Frau, mit der es ihm nicht vergönnt war zusammen zu sein.

    Schlöndorff nutzt den Film aber klugerweise nicht, um die Wunschvorstellungen von Max einem Hollywoodtreatment zu unterziehen. Was vorbei ist ist vorbei, vielmehr konzentriert sich der Fokuspunkt auf die Reflexion über Gewesenes und Zukünftiges. Max lebt zu Beginn in einer Traumwelt, in der er noch über das „was wäre wenn“ sinniert. Sein Festhalten an seiner alten Liebe Rebecca und die Lügen, die er seiner aktuellen Frau Clara auftischt und in die er seine Presseagentin hineinzieht, lassen ihn zuerst sehr unsympathisch wirken. Erst in der letzten Viertelstunde des Films erkennt der Zuschauer, welche innere Verzweiflung und Einsamkeit Max durchlebt und versteht seine Motive besser, warum er sich so verbissen an einen vergangenen Glücksmoment klammert.

    Bis diese Fronten überwunden und die emotionalen Mauern endlich eingerissen werden, bleiben die Motive der Charaktere ein Mysterium. Vor allem Nina Hoss‘ Figur der Rebecca bleibt bis auf die Tatsache, dass sie Max nie wirklich vergeben konnte, ein unbeschriebenes Blatt. Die Tatsache, dass er für sie derjenige ist, über den sie nie hinwegkam, steht sogar im starken Kontrast zu der später erwähnten Tatsache, dass anscheinend nicht er derjenige war, der sie für immer unempfänglich für Liebe machte. Nebenfiguren, wie der unkonventionelle Kunstsammler Walter und die quirlige beste Freundin Rachel, bieten Potenzial als interessante Charaktere, über die man als Zuschauer gerne mehr erfahren würde, die aber nicht den nötigen Raum im Film bekommen.

    Die Stärke des Films ist, dass er sein Drama über die Dialoge der Charaktere entfalten lässt. Schlöndorff verzichtet darauf, die Spannung zwischen Max und Rebecca rein über die Bildebene zu transportieren. Die Figuren diskutieren, lügen, attackieren und reden um das Thema herum, bis es schließlich in den Dünen von Montauk zum Showdown kommt. Die Erkenntnis, die Max aus dieser Erfahrung mitnimmt, und die auch in den letzten Minuten nochmals für einen Twist in der Handlung sorgt, ist das stärkste Element im Film.
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    (Susanne Gottlieb)
    20.02.2017
    08:59 Uhr
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