Filmkritik zu Joaquim

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Durchschnittliches Porträt mit mittelmäßigen Plot

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Nationalhelden sind ein Filmthema, das sich immer schön ausweiden lässt. Bestes Beispiel „Braveheart“. Historisch aufwendige Settings, an denen man sich nicht sattsehen kann, patriotischer Pathos, der wohl dazu gedacht ist, dass das Kinopublikum begeistert zu jubeln beginnt und die Story eines Helden, der eigentlich keiner sein wollte und quasi vom Schicksal in die Rolle gedrängt wurde. Weil, kein guter Held sucht sich die Rolle freiwillig aus. Es sind private Entscheidungen die man trifft, die einen in diese Position bugsieren.

    Regisseur Marcelo Gomes hatte sich mit der Kolonialzeit der Portugiesen in Brasilien auseinandergesetzt, als er über Joaquim José da Silva Xavier, später als Unabhängigkeitskämpfer unter dem Namen Tiradentes bekannt, stolperte. Noch heute wird in Brasilien mit dem Erbe der Portugiesen sehr kritisch umgegangen. Anders als in anderen Kolonien jener Zeit, siedelten die Portugiesen sich nicht mit ihren Familien im neuen Land an, sondern kamen um die Ressourcen auszubeuten. Diese Korruption bezeichnet Gomes auch als das Erbe der Portugiesen an die brasilianische Gesellschaft. Tiradentes, zu Beginn noch ein treuer Soldat der portugiesischen Krone, war einer der ersten, die sich gegen diese Behandlung auflehnten.

    Der Film, der daraus entstanden ist, nimmt sich dieser Thematik zwar an, weiß aber nicht so ganz wie er sie effektiv umsetzen soll. Ein Großteil des Filmes besteht nur darin, wie Joaquim mit seinen Gefährten durch die brasilianische Natur streift um Gold zu suchen. Sein eiserner Wille, eine Beförderung zu erhalten und die Realisation, dass das nie geschehen wird, sein Kontakt mit amerikanischer Unabhängigkeitsliteratur, der Verlust seiner Geliebten und Sklavin „Blackie“, die er als Anführerin einer ehemaligen Sklavenkommune wiedertrifft – die Elemente, aus denen Gomes das Geflecht baut, auf das Joaquim zurückfällt als er seinen Nationalstolz entdeckt, sind da. Sie sind jedoch so subtil und unausgegoren gegenüber dem Goldgräberplot, dass man sich als Zuschauer im letzten Drittel des Films verwirrt am Kopf kratzt, wann Tiradentes plötzlich so für ein unabhängiges Brasilien entflammt ist. Ebenso macht der Film zu Beginn mit seiner Inszenierung ein Versprechen in Bezug auf die weitere Handlung, das er letztendlich nicht einhaltet. Das lässt ihn allen Anschein nach abrupt und unerwartet enden und sorgt für wenig cineastische Befriedigung.

    Ein Pluspunkt ist, dass Gomes der schwarzen Bevölkerung ihre Rolle in der Entwicklung der brasilianischen Gesellschaft einräumt. Die Sklaven in seinem Film dienen nicht als Anschauungsobjekt des berühmten Capoeira oder als symbolisches Bild der Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Sie erkaufen oder erkämpfen ihre Unabhängigkeit. „Schwarz ist eine Farbe“, sagt Joaquims ehemalige Sklavin, als er sie bei ihrem alten Namen „Blackie“ ruft. „Ich heiße Zua.“ Er ist es nun, der ihrer Gnade ausgeliefert ist. Der durch ihre Kommune erkennt, was es heißt friedlich und ohne fremde Herrschaft gemeinsam zu leben.

    Ein weiterer Pluspunkt ist die Meta-Ebene, in der Gomes die idealistischen Vorstellungen der Unabhängigkeitskämpfer zum Ausdruck bringt. Joaquim beginnt an einem Punkt in der Handlung von seinen utopischen Vorstellungen einer freien Gesellschaft zu schwärmen. Einer Gesellschaft, die retrospektiv keine unabhängige Kolonie je entwickelt hat und deren Ideale in kompletter Negation zu jenen Taten stehen, die ein Land wie zum Beispiel die USA als freie Nation begangen haben. Verdeutlicht wird diese Situation durch einen Mitkämpfer, der nach dessen Rede zu Tiradentes sagt, dass er nicht zu viel erwarten dürfe, immerhin sei man selber auch nur Mensch.

    Insgesamt ist der Film somit ein schön anzusehendes Werk, das leider wenig fesselt und gegen Ende wichtige Entwicklungen seines Helden im Schnelldurchlauf erzählt. Da wäre eindeutig mehr drinnen gewesen.
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    (Susanne Gottlieb)
    05.03.2017
    14:51 Uhr
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