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    We all float down here

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Im Jahre 1986 veröffentlichte Kultautor Stephen King eines seiner bis heute beliebtesten Werke. Der skurril betitelte Roman „Es“, der von einer Gruppe Kinder handelt, die in den 50er-Jahren in einer Kleinstadt in Maine von einem Monster in Clownsgestalt heimgesucht werden, begeisterte Leser des Fantastischen weltweit. Aufgrund der großen Nachfrage wurde bereits 1990 eine zweiteilige Verfilmung des 1000-seitigen Buches gedreht. Der ausschließlich fürs Fernsehen produzierte Zweiteiler konnte jedoch abseits Tim Currys kultverdächtiger Darstellung als „Pennywise the Dancing Clown“ nicht unbedingt mit hoher Qualität überzeugen. Seit jeher wurden zig weitere Versuche in die Wege geleitet, um eine akkuratere Filmadaption zu realisieren – meist jedoch ohne ein Endergebnis.

    Bereits Anfang 2009 wurde bekanntgegeben, dass Warner Bros den Roman für die große Leinwand adaptieren und Drehbuchautor David Kajganich („True Story“, „A Bigger Splash“) den Film inszenieren würde. Aus jedoch bisher unbekannten Gründen verließ er ein Jahr später das Projekt. Mitte 2012 nahm Warner Bros die Arbeit am Film wieder auf und gab Meisterregisseur Carey Fukanaga (unter anderem für die erste Staffel von „True Detective“ verantwortlich) als neuen kreativen Kopf hinter der Verfilmung bekannt. Knapp ein Jahr später wurde offiziell verkündigt, dass Jungdarsteller Will Poulter („Wir sind die Millers“, „The Revenant“) Killerclown Pennywise verkörpern würde. Im selben Monat gab Carey Fukanaga jedoch den Regieposten ab, da das Studio aufgrund kreativer Differenzen mit seiner artistischen Vision nicht konform ging. Als dann Anfang 2016 auch noch bekannt wurde, dass Hauptdarsteller Will Poulter das Projekt ebenfalls verlassen hat, stand die Zukunft des Films zunächst auf Messers Schneide. Es dauerte jedoch nicht lang, bis das Studio mit Andy Muschietti („Mama“) einen neuen Regisseur fand, der nun auch dafür verantwortlich war, das bereits existente Skript Fukanagas umzuschreiben.

    Mit Muschiettis weiterer Herangehensweise an die Adaption hatte Warner offenbar keinerlei Probleme, weswegen dessen fertige Version nun auch weltweit in den Kinos starten kann. Die Rahmenhandlung des Romans wurde hierbei von den 50er-Jahren auf ein 80er-Setting abgeändert.

    In der fiktiven Kleinstadt Derry im US-Bundesstaat Maine sind bereits mehrmals Kinder auf skurrile Art und Weise verschwunden. Eines davon war der 7-jährige Georgie (Jackson Robert Scott), für dessen Verschwinden sich sein älterer Bruder, der Stotterer Bill (Jaden Lieberher), mitverantwortlich macht. Als Bill auf eine mysteriöse Gestalt trifft, die zumeist in Form des unheimlichen Clowns Pennywise (Bill Skarsgård) auftritt und seine Freunde ihm ähnliche Erlebnisse schildern, ist er sich sicher, dass diese Kreatur mit den verloren gegangenen Kindern zusammenhängt. Um das Monster zu besiegen, formt er eine Gruppe aus fünf weiteren Jungen und einem Mädchen zusammen, die er aufgrund ihres jeweiligen Außenseiter-Daseins als „The Losers Club“ betitelt. Gemeinsam schwören die sieben Jugendlichen einander, die ungeheuerliche Kreatur zu bezwingen, was sich jedoch als große Zerreißprobe erweist.

    Bei einem derartigen Produktionschaos ist es natürlich vollkommen legitim, sich der Neuverfilmung mit einer gewissen Dosis Skepsis anzunähern. Nach Sehen des Films muss ich aber eingestehen, dass trotz der ganzen Eskapaden hinter den Kulissen, ein sehr sehenswertes Endergebnis rausgekommen ist. Dabei sollte jedoch klar hervorgehoben werden, dass es sich hier um keinen reinen Horrorfilm handelt, sondern vielmehr um ein Coming-of-Age-Drama mit Gruselmomenten.

    Es wird in erster Linie darauf Wert gelegt, die persönlichen Probleme der jugendlichen Protagonisten zu erläutern. Auch wenn nicht einem jeden der sieben Mitglieder Loser-Clubs dasselbe Maß an Tiefe verpasst wurde und ein manch Charakter auf den ersten Blick sterotyp wirken mag, versteht man als Zuschauer trotzdem die individuellen Probleme, Ängste und Eigenheiten der jeweiligen Figuren. In manchen Momenten erinnert die Verfilmung durch die großartige Dynamik der Jugendlichen gar an den fantastischen Coming-of-Age-Klassiker „Stand By Me“ (1986) - einer weiteren Verfilmung eines King-Romans.

    Die Dynamik der Protagonisten würde jedoch nicht halb so gut funktionieren, hätte Muschietti da nicht einen der eindrucksvollsten Kinder- und Jugendbesetzungen der letzten Jahre zusammengestöpselt. Aus diesem bereits beeindruckenden Jungensemble stechen besonders Hauptdarsteller Jaden Lieberher („Midnight Special“,“St. Vincent“), der als Bill den emotionalen Grundkern des Films bildet, „Stranger Things“-Star Finn Wolfhard, der als das Großmaul Richie für den Comedy-Relief verantwortlich ist und Newcomerin Sophia Lillis, die als die nach Außen hin toughe, innerlich jedoch stark verstörte Beverly den vermutlich komplexesten Charakter im Film mit Bravour gemeistert hat, hervor.

    Trotz der fabelhaften Jungdarsteller liefert das schauspielerische Stand-Out des Films klar Bill Skarsgård als Pennywise, die Killerclown-Version des Es-Monsters. Obwohl die Szenen mit Pennywise zumeist recht kurz sind, erobert er diese Momente alleinig mit seiner furchteinflößenden Präsenz. Das alberne Element von Tim Currys Darstellung des Killerclowns wurde hierfür auf ein Minimum reduziert, um sich mehr auf den psychologischen Horror, der von der Figur ausgeht, zu konzentrieren.

    Obwohl die Auftritte von Pennywise weit sporadischer eingesetzt werden, als vermutlich von den meisten vermutet, funktionieren diese zumeist wunderbar. Um die verstörende Atmosphäre der Pennywise-Momente zu verstärken, wurde dem Killerclown ein eigenes unheimliches Sounddesign verliehen. Das Kostüm und Make-Up-Design sowie die kreativ gestalten Schauorte, auf denen Pennywise anzutreffen ist, tragen dazu ihr Übriges bei. Die einzige gröbere Problematik stellen die viel zu offensichtlichen Computereffekte dar, die den Schockgehalt von manchen (zum Glück wenigen) Szenen leider gehörig eindämmen.

    Abseits dessen kann der Film jedoch auch ästhetisch überzeugen. Besonders die Kameraarbeit von Chung-hoon Chung (u.A. „Oldboy“) fängt durch die körnigen Bilder das 80s-Flair des Settings gekonnt ein und erinnert dabei stilistisch an die letztjährige Netflix-Hitserie „Stranger Things“. In Puncto 80er-Jahre wäre hierbei auch noch zu erwähnen, dass der Film im Allgemeinen mit Referenzen an diese glorreiche Dekade gespickt ist und dadurch viel von seinem Charme gewinnt.

    Fazit: Trotz einer langen und chaotischen Produktionsgeschichte ist Andreas Muschiettis filmische Neuinterpretation von Stephen Kings „Es“ eine sehr gelungene Mixtur aus unterhaltsamen Coming-of-Age-Film und effektivem Horrorschocker geworden, der gleichzeitig Fans der Buchvorlage wie auch Blindeinsteiger befriedigen sollte.

    Enjoy the ride and float too! You’ll float too! You’ll float too!
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    (Christian Pogatetz)
    24.09.2017
    08:55 Uhr