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    Ein Plädoyer für das Leben

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Wie baut man sich eine Zukunft auf und schaut nach vorne, wenn das Schicksal besonders hart zuschlägt? Das ist die Frage, die sich die Sängerin Félicité stellen muss. Die resolute Frau aus einem ärmeren Viertel in Kongos Hauptstadt Kinshasa hatte bisher ein simples aber doch zufriedenstellendes Leben mit ihrem Sohn Samo geführt. Eines Tages gerät Samo in einen Motorradunfall und wird ins Krankenhaus gebracht. Félicité, die sonst nie um etwas bittet, muss nun verzweifelt um Geld betteln, damit sie die OP zahlen kann die ihrem Sohn das Bein retten könnte. Nicht nur geht ihr Stolz dabei zu Bruch, sie muss auch letztendlich auch erfahren, dass all ihre Bemühungen umsonst waren und das Bein abgenommen werden musste. Samo stürzt nach der OP in eine Sinnkrise, verbringt Tag um Tag nur stumm im Bett.

    Die Antwort, wie dieser wieder am Leben um ihn herum teilnehmen kann, liegt unerwartet im Charme und der Hilfsbereitschaft des Barstammgasts, Schwerenöters und Säufers Tabu, der nicht nur Félicités ständig kaputten Kühlschrank repariert, sondern es auch schafft, Samo mit seiner fröhlichen Art aus der Reserve zu locken. Nur Félicité wehrt sich weiterhin seine Hilfe anzunehmen. Erst mit der Zeit lernt sie, dass das Leben manchmal einen dazu zwingt, sich mit Rückschlägen auseinanderzusetzen und etwas von seinem Stolz aufzugeben. Langsam lässt auch sie Tabu in ihr Leben, obwohl beide beteuern, sich als Mensch und in ihren Erwartungen an den anderen nicht ändern zu wollen.

    Regisseur Alain Gomis wollte mit seinem Film ein Funken Optimismus in den Zuschauern entzünden und zeigen, wie man auf etwas Negativem aufbauen kann. Gemäß der Heldenreise müssen seine Charaktere den Heldentod durchlaufen, also eine innere Katharsis überwinden, bevor sie neues Glück finden. Samo verlässt notgedrungen die Welt der Jugend, als er sich mit seinem zukünftigen Leben als Krüppel auseinandersetzen muss. Félicité erlebt die totale Erniedrigung, als sie sich beim Betteln in einer reichen Wohngegend schreiend auf den Boden schmeißt und geprügelt wird. Ihr Aufstieg aus diesen Scherben ihrer Existenz ist bewegend und kommt ohne übertriebene Dramatik aus.

    Gomis macht nicht nur den inneren Kampf seiner Protagonisten zum Thema, der Film bietet auch einen Einblick in die Lebensrealität Kinshasas. Unkommentiert und doch ehrlich zeigt der Film die Armut in den Straßen, die Hoffnungslosigkeit aus dieser Welt auszubrechen und die Zuflucht, die die Menschen in den abendlichen Lokalen suchen. Versteckt in dieser Aussichtlosigkeit tauchen aber immer wieder Momente des Glücks und der Hoffnung auf. Gomis fügt immer wieder Szenen des Kinshasa Symphony Orchestra ein. Zu sehen ist eine Gruppe Musiker, die auf Plastikstühlen unter einer Zeltplane klassische Musik spielen. Sie dient der Ablenkung, als Erinnerung, dass im einem Land wie dem Kongo nicht nur Verzweiflung herrscht, sondern auch Schönes existiert.

    „Félicité“ schafft somit nicht nur, ein Plädoyer für den Glauben an die Zukunft zu halten, er bringt dem Zuschauer auch einen so unbekannten und faszinierenden Ort wie Kinshasa näher. Eine Rückkehr ins Leben an einem Ort, von dem viele Zuschauer wohl nie gedacht hätten, dass es so etwas wie Glück im Leben überhaupt geben kann.
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    (Susanne Gottlieb)
    18.02.2017
    20:33 Uhr
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