Filmkritik zu Colo

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  • Bewertung

    Dramatisches Schicksal zum Einschlafen

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2017
    Was für ein interessantes Thema. Und was für eine vergebene Chance. Als 2008 von der Wall Street die Wirtschaftskrise nach Europa überschwappte, wurden viele kleine Existenzen hart getroffen. Auch wenn es im Zuge dessen zu keiner neuen großen Depression kam, die Schäden und Folgen dieser geplatzten finanziellen Blase spüren auch heute noch viele Menschen auf dem Kontinent.

    Künstlerisch ist Teresa Villaverde mit ihrem Film „Colo“ sehr spät zur thematischen Ausbeute der Wirtschaftskrise gestoßen. Der Höhepunkt ist lange vorbei, die Menschen beschäftigen sich weniger mit dem, was ein paar Goldman & Sachs Banker tun, sondern mit IS, Syrien, Populismus und Fake News. Dennoch, einen Film über den Verlust von Wohlstand und die Sinnlosigkeit einer Existenz ohne Aufgabe sind Themen, die zeitlos sind und unter jeder Vorgabe einfühlsam und dramatisch abgehandelt werden können.

    Daher wäre es schön gewesen einen Film zu sehen, der das auch so inszeniert. Villaverdes Erzählweise und Bildsprache ist jedoch wenig spannend und man kann mit gutem Gewissen sagen, hätte sie den Film um die Hälfte gekürzt, es hätte der Handlung keinen Abbruch getan. Der Zuschauer folgt wiederholt den drei verschiedenen Familienmitgliedern, wie sie sinnlos durch die Gegend wandern, stundenlang in die Ferne und aufs Meer starren oder einer Band beim Spielen in der Kneipe zuhören. Villaverde dreht diese Szenen auch bevorzugt in Totalen, die Schauspieler müssen das starre Bild mit ihrem Agieren zum Leben erwecken. Aufgrund der Lethargie, die alle drei an den Tag legen, passiert das aber nun mal nicht. Somit geht auch jede Dynamik, die der Film sonst noch hätte entwickeln können, beim Fenster raus.

    Der einzige Indikator, dass die Handlung sich weiterentwickelt ist, dass der Familie immer mehr Grundbedürfnisse weggenommen werden. Das Geld für den Bus langt nicht mehr, der Strom ist weg und irgendwann steht auch im Raum die Wohnung aufzugeben. „Was passiert mit uns“, fragt Tochter Marta an einem Punkt ihre Eltern. Eine Frage, die sich der Zuschauer auch immer wieder verzweifelt fragt. Wenn er nicht schon eingeschlafen ist.
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    (Susanne Gottlieb)
    04.03.2017
    20:44 Uhr
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