Filmkritik zu Under the Shadow

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Doppelbödiger Horror in Teheran

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Dass der Westen etwas überfordert ist damit zu verstehen was im fruchtbaren Halbmond vor sich geht ist nix Neues & sieht man besonders in jüngerer Zeit auf Schritt und Tritt.
    Daher kann man für jeden Film dankbar sein, der versucht diesen Erdteil für westliche Augen etwas verständlicher zu machen. Dies ist so ein Film und er macht’s auf ganz besondere Weise, denn „Under the shadow“ ist ein Horrorfilm.

    Vor der historischen Kulisse des knapp post-revolutionären Teheran wird man eingeführt in den Alltag einer Kleinfamilie der oberen Mittelschicht: Vater Arzt, selbstbewusste Mutter, Tochter. Im Hintergrund der erste Golfkrieg, doch dieser ist vorerst kaum spürbar. Ganz im Gegensatz zu den Repressionen mit denen eine junge Mutter nach der islamischen Revolution zu kämpfen hat: Schleierpflicht, kritische Blicke und Studienverbot wegen früherer politischer Betätigung.
    Doch immer näher rückt der Krieg, trotzdem weigert sich die im Zentrum der Erzählung stehende Mutter deshalb klein beizugeben. Auch als ihr Mann an die Front berufen wird, ja selbst dann noch als eine Rakete im obersten Stock des Wohnhauses einschlägt weigert sie sich die Stadt zu verlassen.
    Doch mit dem Marschflugkörper scheint ein übersinnliches Unheil das Haus zu befallen haben. In ihrer hartnäckigen Weigerung sich den allgemeinen Erklärungen für das Grauen zu fügen bleibt die Mutter zuletzt allein & scheint einer übermenschlichen Macht ausgeliefert.

    Auch wenn dieser Film viel Spielraum für tiefergehende Interpretation lässt, er funktioniert vor allem und in erster Linie als Horrorfilm. Wohlpositionierte Schockeffekte, perfektes Sounddesign & ein Kamerablick der immer auch dem Zuseher letzte Fragen offen lässt.

    Aber eben gerade weil dieser Film nicht vordergründig erklärend oder gar rechtfertigend daherkommt, sondern weil er das Gefühl des Ausgeliefertseins und blanker Panik dem Zuseher geschickt vor kriegerischem Hintergrund injiziert, leistet er wohl weit mehr als so manche Doku: es scheint nachvollziehbar wie es sich anfühlt wenn eine unheimliche Macht plötzlich jedes normale Leben unmöglich macht, auch wenn man sich noch so sehr dagegen wehrt.

    Möge dieser Film mit Preisen überhäuft werden und bitte, bitte, den Auslandsoscar gewinnen!
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    (Michael Gegenhuber)
    27.10.2016
    21:52 Uhr