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  • Bewertung

    So now the end is near

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Junge Menschen gehen bzw. fahren mit der U-Bahn durch Paris. Ganz ohne Worte, aber mit gewaltigen Bildern begleitet man sie in ihren Bewegungen. Auf den ersten Blick sieht man auf Grund ihrer Unterschiedlichkeit nicht, dass sie zusammengehören. Da gibt es unter anderem das verliebte Paar (Finnegan Oldfield und Laure Valentinelli) das Richkid André (Martin Guyot) und Yacine (Hamza Meziani), das Mädchen aus den Banlieues - Einzig ihre Rastlosigkeit, Nervosität und paranoiden Blicke mit denen sie sich durch die Stadt bewegen, scheinen sie zu verbinden. Nach und nach offenbart sich, dass sie gemeinsam Terroranschläge auf mehrere Gebäude in Paris planen. Immer mehr verdichtet sich die Spannung, konzentriert sich im Moment der Anschläge und baut sich dann ganz langsam in der Nacht im Kaufhaus wieder ab.
    
Genau davon lebt der Film: Der Regisseur, Bertrand Bonello, baut „Nocturama“ eine Stunde lang auf, macht die ZuseherInnen nervös, um den Film dann über die verschiedenen Charaktere und das Motiv des Wartens langsam wieder zu entladen. Getragen wird diese Spannung nicht zuletzt von der einnehmenden schauspielerischen Leistung der DarstellerInnen.

    Vor allem die erste Hälfte des Films kommt mit nur wenigen Worten aus. In der Anfangssequenz wird sogar überhaupt nicht gesprochen und der Spannungsbogen wird allein über viel Bewegung gespannt. Als sich die AttentäterInnen im zweiten Teil, nach den Anschlägen, im Kaufhaus verstecken, beginnt das unerträgliche Warten: Wird die Polizei ihnen auf die Schliche kommen oder können sie ab dem nächsten Tag wieder zu ihrem normalen Leben zurückkehren. Und können sie zu diesem überhaupt zurückkehren? An diesem Punkt steigen sicherlich einige ZuseherInnen aus, da es zu gewissen Längen kommt. Doch genau durch diese, wird die Spannung aufrecht gehalten und das unerträgliche Warten der Jugendlichen auch für das Publikum erfahrbar gemacht. Stellenweise ist der Film kaum auszuhalten, und das auf eine ganz wunderbar gekonnte Art und Weise.

    Die Filmmusik wird über die ProtagonistInnen selbst, mittels Fernseher und Soundsystemen in den Film eingespielt und wirkt dadurch unglaublich authentisch. Überhaupt ist der Soundtrack, der von Bonello selbst komponiert wurde, absolut hörenswert.

    „Nocturama“ behandelt ein gesellschaftlich aufgeladenes Thema ganz ohne mit Klischees zu spielen. Man sieht Brutalität, die nicht nach Sensation giert. Sie wird einfach gezeigt, weil sie dazugehört. Dadurch, dass es nicht um Motive und Gründe geht, ist der Film nur sehr subtil politisch und kann nicht in ein Eck gestellt werden. Zeitlich ist dazu zu sagen, dass Bonello den Film 2010 begonnen hat und 2015, bereits vor den Pariser Anschlägen im November, fertiggestellt hat. Dennoch ist es wohl für die meisten ZuseherInnen nicht möglich, den Film nicht mit dem Terror in Europa in Bezug zu setzen. Deshalb forderte der Regisseur das Publikum bereits dazu auf, den Film möglichst nur als fiktiven Spielfilm zu betrachten.

    Wenn man sich auf diesen Film einlässt, bekommt man zwei Stunden absolut gekonnte Spannung geboten – ein atmosphärisches Kinoerlebnis!
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    (Gloria Halder)
    28.10.2016
    13:38 Uhr
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