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  • Bewertung

    Eine wunderschöne Tragödie am Meer

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der schweigsame Handwerker Lee (Casey Affleck) lebt in Boston und will mit Menschen eigentlich nicht mehr viel zu tun haben. Als sein Bruder Joe (Kyle Chandler) stirbt, muss er in seine Heimatstadt Manchester zurückkehren, um sich um dessen Bestattung und den 16-jährigen Sohn Patrick (Lucas Hedges) zu kümmern. Doch nicht nur die Rolle als Ersatzvater für seinen Neffen, sondern auch seine Ex-Frau Randi (Michelle Williams) fordern Lee. Und während er das Erbe seines Bruders aufarbeitet, holt ihn auch seine eigene Vergangenheit ein, vor der er vor Jahren geflohen ist.

    Nach und nach entrollt sich ein Familiendrama, das zeigt wie Menschen durch einen Schicksalsschlag dazu gezwungen sind, sich auch wieder mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nebenbei streift der in New England spielende Film auch die Thematik der Working Class, ganz ohne dadurch Effekte erhaschen zu wollen oder zu banalisieren.

    Kenneth Lonergan schiebt seine ProtagonistInnen schwer und gedrückt durch das eiskalte, schneeverhangene Manchester am Meer. Dabei hilft ihm unter anderem die Filmmusik – vor allem Georg Friedrich Hendel – die lichten Momente nicht zu groß werden zu lassen. Die hellen Pausen sind gerade lange genug um durchzuatmen und eine Prise schwarzen Humor zu erwischen, der in diesen Situationen so gut tut. Gleichzeitig sind diese Momente der Erleichterung nie so lange, dass die ZuseherInnen wirklich daran glauben könnten in einer Komödie zu sitzen.

    Die Story bleibt schwer. Affleck, Hedges und Williams entwickeln diese emotional überzeugend und sind voll und ganz einnehmend. Die ProtagonistInnen entwickeln sich Stück für Stück, geben immer mehr Schichten von sich preis. Sie kämpfen mit Rückfällen oder auch damit, in einer gewissen Situation eben nicht richtig handeln zu können.

    Als hervorragender Geschichtenerzähler verwebt Lonergan die Gegenwart und die Vergangenheit zu einer komplexen Erzählung: Die Erinnerungen an seine Schicksalsschläge und auch die Präsenz seiner Ex-Frau Randi machen es Lee schier unmöglich in der Stadt zu bleiben. Der Regisseur schafft es, neben dieser Unerträglichkeit, auch noch die Leichtigkeit des 16-jährigen Patrick zu beschreiben – für den es neben dem Tod seines Vaters auch noch die ganz normalen Teenagerfreuden und Leiden gibt.

    Man beobachtet, wie jedes einzelne Familienmitglied auf die Probe gestellt wird und begleitet sie dabei, wie sie versuchen mit der Situation umzugehen und das Beste daraus zu machen. Doch es gibt keine einfachen Lösungen und vor allem kein Schwarz und Weiß, sondern nur viele wunderschöne Grautöne.
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    (Gloria Halder)
    21.10.2016
    10:40 Uhr
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