Filmkritik zu Seoul Station

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Zombie-Alarm im Herzen Südkoreas

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Bereits in seinem Realfilm „Train to Busan“, der bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt wurde, ließ Regisseur Yeon Sang-ho die südkoreanische Hauptstadt Seoul von lebenden Untoten heimsuchen.

    Nun erzählt er mit seinem diesmal nicht mit echten Darstellern, sondern vollständig animierten Zombie-Survival-Thriller „Seoul Station“, wie die gesamte Epidemie zustande kam.

    Auch wenn der Film mit fantastisch gezeichneten Figuren und mit 3D-Animationen gestalteten Hintergründen, durch deren Detailreichtum beinahe ein fotorealistisches Portrait der Metropole kreiert wird, auf ästhetischer Ebene zu beeindrucken weiß, bleibt der Film narrativ hinter seinen Möglichkeiten zurück.

    Es gelingt zwar, allein durch die Animationen, jene beklemmende Atmosphäre auf den Zuschauer zu übertragen und aufgrund der meist passend unterlegten Musik, hatte der Film gar ein paar effektive Schockmomente. Das große Problem ist jedoch, dass man als Zuschauer sehr schwer eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufbauen kann. Obwohl das Schicksal der Protagonistin Hye-Sun, welche, um finanziell über die Runden zu kommen, als Prostituierte tätig ist, ein ziemlich tragisches ist, wird dieses zu minimal beleuchtet, als dass man sich wirklich um ihre Figur kümmern würde. Zugegebenermaßen scheint der Film sich in vielen Teilen selbst nicht allzu ernst zu nehmen, weswegen er mich durchaus des Öfteren unterhalten konnte. Enttäuschend fand ich jedoch, dass das Drehbuch sich zu stark an vielerlei Genre-Konventionen des Zombiefilms richtete und somit zumeist überraschungsarm blieb. Einzig und allein in den letzten 15 Minuten versuchte man noch einen großen Twist hineinzuschreiben, jedoch wirkte diese Wendung auf mich unglaubwürdig und forciert, weswegen mir das Ende sehr antiklimatisch vorkam.

    Positiv wäre jedoch noch zu erwähnen, dass man zumindest versuchte ein wenig Gesellschaftskritik an der inhumanen Behandlung der südkoreanischen Unterklasse auszuüben. Diese kam zwar gelegentlich sehr oberflächlich rüber, dennoch war es eine nette Idee und erinnerte an den Intellekt klassischer Zombie-Filme im Stile von George A. Romero.

    Insgesamt ist „Seoul Station“ zwar ein streckenweiße unterhaltsamer, teilweise effektiv inszenierter und wunderschön gezeichneter Horror-Anime, lässt jedoch eine emotionale Ebene vermissen und bedient sich zu vieler Klischees, um wirklich aus der großen Menge der Zombie-Survival-Thriller herauszustechen.
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    (Christian Pogatetz)
    23.09.2016
    23:16 Uhr