Filmkritik zu Frantz

Bilder: Thim Filmverleih Fotos: Thim Filmverleih
  • Bewertung

    Eine zweisprachige Romeo-und-Julia-Geschichte

    Exklusiv für Uncut von den Filmfestspielen in Venedig
    1919, nach dem ersten Weltkrieg: In einem kleinen deutschen Dorf voller Kriegsheimkehrer betrauert die junge Anna (Paula Beer) den Tod ihres Verlobten Frantz (Anton von Lucke). Bei seiner Familie ist sie gut aufgehoben, doch es gibt auch schon einen neuen Anwärter, der an die Stelle von Frantz treten will. Als ob das nicht schon genug Gefühlsverwirrung wäre - kommt wie aus dem Nichts ein Franzose (Pierre Niney), und wagt es, beim Vater, der, wie die meisten im Dorf, voller Hass gegen die Franzosen ist, vorzusprechen. „Du könntest meinen Sohn umgebracht haben!“ wirft dieser ihm an den Kopf, und jagt ihn aus dem Haus, ohne herauszufinden, warum er überhaupt den weiten Weg kam. Die Verbitterung wirkt noch stärker durch die monochromen Bilder, kalt und freudlos ist das Leben dargestellt. Doch Anna hat ein Auge auf den geheimnisvollen Mann geworfen und ahnt, dass er ein Freund von ihrem Geliebten sein könnte, der vor dem Krieg eine Zeit lang in Paris gelebt hatte.

    Die Erinnerungen an Frantz bringen wieder Farbe in das Leben der Familie, die Adrien deshalb mehr und mehr willkommen heißen. Den Hass zwischen zwei Ländern, die beide ihre Söhne in den Tod geschickt hatten, bricht dieser Film Stück für Stück auf, und öffnet so die Herzen für ein höheres Mitgefühl - ein Verzeihen, was auch das stärkste Grundthema des Films ist.

    Die kreative Entscheidung, Schwarz-weiß-Bilder mit farbigen zu mischen ist fantastisch umgesetzt, und die Übergänge sind so fließend, dass es einem immer erst etwas später auffällt.

    Die Geschichte ist sehr einfach aufgebaut, was sich hier aber auch in Vorhersehbarkeit auswirkt. Dass Anna sich einfach so in Adrien verliebt, war etwas zu unvermittelt. Andererseits hat es sich jedoch auch durch die Frankophilie schon aufgebaut: Mit Frantz hatte sie regelmäßig Briefe und Gedichte auf französisch ausgetauscht und so entstand direkt eine besondere Verbindung zu Adrien.

    Eine seelische Verbindung, die sogar so weit führt, dass sie ihm nach Paris folgt. Ein Paris voller Klischees und Kitsch: Begonnen bei einem dampfenden Bahnhof voller Händler, weiter zum ärgsten Hurenviertel, wo sich Anna dann tatsächlich in einer eher zwielichtigen Pension einmietet (nur weil Frantz dort genächtigt hatte…), über die bombastische Pariser Oper, in der sie hofft, Adrien zu finden, bis hin zum nebligen weitläufigen Friedhof und schließlich im Schloss-ähnlichen Herrenhaus von Adriens Familie, wo sich schließlich alles ändern soll.

    Die Musik von Alexandre Desplat hat etwas von einer laufend wiederholten fragmentarischen europäischen Hymne und überträgt ein gewisses Gefühl, das man von französischen Romanzen einfach zu gut kennt. Und so wird man diesen Film lieben, wenn man von französischen Dramen nie genug bekommen kann.

    Die Mischung aus deutscher und französischer Sprache bringt ein sehr schönes poetisches Element in den Film. Doch vor allem die deutschen Dialoge machten eine sehr naive und einfach gestrickten Eindruck der Familie - was aber wahrscheinlich auch angebracht war.

    Ich habe schon durchdachtere Ozon-Filme gesehen, und hatte daher vielleicht zu hohe Erwartungen, so muss ich im Endeffekt gestehen, dass der Film trotz der wunderschönen Szenen und sehr talentierten Schauspieler (Paula Beer hat in Venedig den Preis „Beste Debüt-Schauspielerin“ bekommen) zu sehr aufs Auge gedrückt ist - oder besser gesagt, auf die Tränendrüse gedrückt.
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    (Luzia Johow)
    20.09.2016
    20:24 Uhr