Filmkritik zu Safari

Bilder: Stadtkino Fotos: Stadtkino
  • Bewertung

    Eine sehenswerte Reise in Welten zwischen Leben und Tod

    Exklusiv für Uncut
    Langsam pirschen die beiden Männer durchs Dickicht der afrikanischen Steppe. Nur wenige Meter liegen zwischen ihnen und einer Herde wilder Tiere. Wie Raubkatzen schleichen die in erdfarbene Tarnkleidung gehüllten Touristen durch die Wildnis, in stetiger Suche nach dem perfekten Schuss. Mucksmäuschenstill muss es sein – jede Bewegung, jeder Atemzug könnte dem angespannten Spiel ein jähes Ende bereiten. In monatelanger Vorbereitung haben die österreichischen Touristen ihre Jagdreise in die Ferne geplant. Sie mussten sich zwischen Buschböcken, Zebras, Gnus, Impalas, Giraffen, Elefanten und anderem exotischem Getier aus dem Katalog entscheiden, um dann mit Gewehr, Stativ, Fernglas und Führer auf eine nervenaufreibende Safari zu gehen. Das aus der Swahili Sprache stammende Wort Safari meint im Grunde nur eine Reise, die jedoch im gängigen Sprachgebrauch im Laufe der Kolonialzeit zur Großwildjagd wurde. Doch beschreibt Ulrich Seidl in seiner 91 minütigen filmischen Abhandlung mehr als nur eine Reise. In gewohnter Manier greift er auf dokumentarische Weise eine dem filmischen Geschehen vorangegangene Realität auf, um sie in Folge dahingehend zu bearbeiten, als dass er das exotische Jägertum mit seiner bisweilen bekannten Seidl'schen Erzählart ästhetisch wie dramaturgisch zurechtrückt.

    In seinem neuesten Werk erzählt Seidl dabei die Geschichte von Leben und Tod, modernem Rassismus sowie einer post-kolonialistischen afrikanischen Gesellschaft, die erneut einer kapitalistischen Überlegenheit des Westens ausgeliefert scheint. Letzteres kann hierbei als Fortsetzung seines 2012 erschienen Films „Paradies: Liebe“ gesehen werden. Als Initiator für Safari fungierte ein österreichisches Pensionisten-Paar, das man bereits bei „Im Keller“, umgeben von zahllosen Jagdtrophäen, kennenlernen durfte.

    Doch geht es bei „Safari“, entgegen des menschlich körperlichen Begehrens bei „Paradies: Liebe“, um die Verhandlung rund um die Moral des Tötens. Auf gewohnt akribische Weise konstruiert er dabei förmlich die Chronologie einer künstlichen und damit fast lächerlichen Jagd und dem daraus resultierenden Tötungsakt am Tier. Vom Anpirschen über den ersten Schuss und dem euphorisch hyperventilierenden Atmen hinweg, bis hin zu sich aufblähenden Mägen und dem Knacken der zu brechenden Beine lebloser Kadaver. Schritt für Schritt begleitet er seine Protagonisten im Wechsel aus lebhafter Schulterkamera und für ihn typischen, starren Tableaus. Die Kamera wird dabei, wie bereits in „Import Export“ und „Hundstage“ von Wolfgang Thaler geführt. Unterstützung bezüglich des Drehbuchs erfuhr er erneut von seiner Partnerin Veronika Franz. Zum beinah zentralsten Motiv wird dabei der Moment nach dem Tode. Nicht etwa Trauer um das verlorene Leben eines Tieres, denn viel mehr Stolz auf den vollbrachten Tötungsakt werden ausgestellt. Schnell wird das Blut von den Händen gewaschen und der Kopf des leblosen Körpers in eine ansehnliche Postion gebracht, um sich mit Stolz geschwellter Brust dem Fotografen entgegen richten zu können. Eben jenen flüchtigen Moment des Todes, der Erleichterung und der Freude hält Seidl als starres und damit verweilendes Bewegtbild fest. Damit gibt er dem Zuschauer einen kurzen Moment des Innehaltens, um über das Gesehene reflektieren zu können. Immer öfter und immer schneller kommt dabei jedoch der Geschmack des moralisch Verwerflichen auf. Doch wird man davon abgehalten, all zu schnell zu urteilen. Gibt Seidl seinen Protagonisten doch die Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. In statischen Bildern inszeniert er seine Akteure in klärenden Dialogen, umrahmt von zahllosen Trophäen an den Wänden der deutschen Jagdfarm. Etwas unsicherer als in anderen Seidl Filmen, verhandeln die Schauspiel-Laien dabei ihr Jagdvorhaben. Besonders auffällig tritt in diesen Gesprächen die Entemotionalisierung und parallel laufende Fetischisierung des Tötungsakts hervor. Aus dem Tier wird das „Stück“, aus bluten „schweißen“ und töten darf gar nur als „erlegen“ und besser noch als „erlösen“ benannt werden. Entgegen all der nüchternen Worte und dem damit einhergehenden Versuch der sachlichen Rechtfertigung stellen sich immer wieder um ihr Leben kämpfende Tiere. Allen voran eine von ihrem langen Leben gezeichnete Giraffe, deren schleppender und unendlich wirkender Todeskampf in einer nur schwer zu ertragend langen Einstellung miterlebt werden muss.

    Mit „Safari“ bleibt Ulrich Seidl seiner für ihn typischen Ästhetik treu. Damit bietet sich eingefleischten Seidl-Fans erneut ein fotografisches Meisterwerk dar, auch wenn es aus ästhetischer Sicht nicht viel Neues hervorbringt. Mit all seinem kinematographischen Können übersetzt er damit ein aktuelles Thema, das durch den Wildjagd-Skandal um Zahnarzt Walter Palmer und den Löwen Cecil im Jahr 2015 international diskutiert wurde, in seine eigene Sprache. Durchaus näher am Dokumentarischen als in seinen vorangegangen Filmen begibt er sich dafür mit teils bekannten Gesichtern und Thematiken aus vorherigen Projekten in die Ferne, exportiert das Österreichische nach Afrika, um ferndiagnostisch nach dem Recht zu töten Ausschau zu halten. Für hartgesottene Seidl-Kenner absolut sehenswert, ebenso für Jagdaffine und all jene, die sich dem Jagdtum kritisch gegenüberstellen.
    fuchs_ac50f016d5.jpg
    (Martin Valentin Fuchs )
    13.09.2016
    09:41 Uhr
    Meine Top-Filme:

Safari

Österreich 2016
Regie: Ulrich Seidl
AT-Start: 16.09.2016