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    Stier-K(r)ampf

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Der Protagonist in Damien Chazelles „Whiplash“ (2014) trennt sich von seiner Freundin, mit der Begründung, dass ihn eine Beziehung daran hindern würde ein großer Musiker zu werden. Auch Olli Mäki setzt sich mit solchen Fragen auseinander. Mit dem Unterschied, dass es im Fall des auf wahren Begebenheiten beruhenden „The Happiest Day in the Life of Olli Mäki“ nicht um Jazz-Schlagzeug geht, sondern um eine andere Art von Schlagen – Boxen.

    Der Finne wurde 1959 Europameister und wechselte bald darauf in den Profisport, in dem er 50 Kämpfe bestritt, davon 28 Siege, 8 Unentschieden und 14 Niederlagen. Der in rauem, historisch wirkendem Monochrom gedrehte Film konzentriert sich auf seinen wichtigsten Kampf und dessen Vorgeschichte. Im August 1962 war sein Gegner Davey Moore und es winkte der Gewinn der Weltmeisterschaft im Federgewicht. Inmitten der intensiven Trainingseinheiten und dem Kennenlernen der verlogenen Räder eines Sportspektakels auf diesem Niveau – inklusive anstrengenden Presseterminen, Werbekampagnen, Sponsorentreffen und einer Hochstilisierung auf ein Schlüsselereignis in der Geschichte des kleinen Landes – verliebt sich der „Bäcker aus Kokkola“. Um den Ring entsteht somit ein besonderes, bald angespanntes Beziehungsdreieck zwischen Olli, seiner Freundin Raija und seinem zwielichtigen Manager Elis.

    Die Erzählung um die Sinnsuche zwischen Herz und Fäusten verläuft unaufgeregt, reduziert aufs Wesentliche und ohne unnötige Nebenstränge. Die Schauspieler wurden den Temperamenten ihrer Rollen entsprechend gefunden und danken dem Regisseur mit natürlich und miteinander harmonisch wirkenden Darstellungen. Zwar haben gewiss auch andere Boxfilme Beziehungen thematisiert (z.B. „Rocky“, „The Fighter“), aber die Geschichte wurde meinem Wissen nach noch nie so zart erzählt. Die Protagonisten waren bislang immer zumindest kleine Angeber. Sie glichen ihrem Wesen her noch nie so stark einem romantischen Dichter aus dem 19. Jahrhundert.

    Der Debütfilm von Regisseur Juho Kuosmanen ist einer der Festivallieblinge der Saison. Er wurde bereits mit dem „Un Certain Regard“-Preis in Cannes und mit dem Golden Eye in Zürich ausgezeichnet und gilt neben „Toni Erdmann“ als ein ernster Kandidat für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
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    (Miha Veingerl)
    28.10.2016
    18:11 Uhr
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