Filmkritik zu Die rote Schildkröte

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    Gestrandet

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Das japanische Studio Ghibli konnte mit ihren fantastischen Anime-Filmen, wie „Die letzten Glühwürmchen“ (1988), „Prinzessin Mononoke“ (1997), „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001) oder zuletzt „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ (2014), weltweit ein breites Publikum beeindrucken. Nachdem Regisseur und Mitbegründer des Animationsstudios, Hayao Miyazaki, vor wenigen Jahren seinen Rückzug aus der Filmbranche bekannt gab und im Zuge dessen das Studio Ghibli im Jahre 2014 ankündigte vorerst keine weiteren Filme mehr zu produzieren, war der Schock für viele Fans groß. Nun hat das Studio endlich das zweijährige Schweigen gebrochen und ist zurückgekehrt, um in Kooperation mit der französischen Produktionsfirma „Why Not Productions“ den Animationsfilm „Die rote Schildkröte“ des niederländischen Filmemachers Michaël Dudok de Wit zu produzieren. Da Ghibli zuvor aber nur in Japan produziert hatte, wirft das die Frage auf: Kann denn eine japanisch-europäische Zusammenarbeit im Animationsbereich gut gehen? Nach der Sichtung des Films, kann ich nun überzeugt schreiben: „Und wie sie das kann!“

    Im Zuge eines Unwetters wird ein Mann wird ein Mann auf eine einsame Insel gespült. Sämtliche Versuche mit einem selbstgebauten Floß zu flüchten gehen schief, da eine rote Schildkröte diese zu Nichte macht. Anfangs noch sehr in Rage versetzt, bemerkt er schon bald die Magie, die von der Schildkröte ausgeht.

    Der Film schafft es, trotz der relativ kurzen Laufzeit von nur 80 Minuten, den Zuschauer auf die Reise des Protagonisten mitzunehmen und benötigt dafür keine einzige Zeile an Dialog. Obwohl der Film in den ersten 20 Minuten stark an klassische Überlebensdramen im Stile von „Cast Away“ erinnert, driftet der Ton des Films ab dem ersten Auftauchen der Schildkröte immer mehr ins Fantastische, was dem Film seine Einzigartigkeit verleiht. Zu diesem besonderen Touch, tragen mit Sicherheit auch die Animationen bei, denn hier treffen zwei komplett unterschiedliche Stile aufeinander.

    Liebevoll europäische Charakterzeichnungen gepaart mit detailverliebten japanischen Hintergründen kreieren eine visuelle Magie, wie man sie schon lange nicht mehr im Kino gesehen hat. Dabei wäre vor allem das Artdesign der Schildkröte hervorzuheben, welches durch den besonders markanten Rot-Ton aus der sonst eher düster gehaltenen Farbpalette des Films heraussticht und einen beinahe hypnotischen Sog zum Zuschauer entwickelt. Was der Regisseur mit dem Motiv der Schildkröte aussagen wollte, bleibt jedem selbst zur Interpretation offen. In meinen Augen dient sie als Symbol der Hoffnung und besticht dadurch umso mehr mit ihrer Schönheit. Problematisch fand ich nur, dass der Film etwa 20 Minuten braucht, um richtig in Fahrt zu kommen und jegliche Konventionen eines typischen Survival-Dramas abzulegen. Abgesehen davon ist „Die rote Schildkröte“ ein fantastisch animiertes und gekonnt auf rein visueller Ebene erzähltes Erlebnis, dessen magische Atmosphäre einem nicht mehr so leicht aus dem Kopf gehen wird!
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    (Christian Pogatetz)
    08.10.2016
    15:52 Uhr